Wildes Erwachen
mit Internetanschluss hinweisen und sich als Experte outen? Der Gedanke schien ihm reizvoll. Die beiden Polizisten konnten ruhig mal sehen, dass er bereit war, sich den Anforderungen der modernen Technik zu stellen. Oft genug hatten sie durchklingen lassen, dass sie Lehrer für bequeme Menschen hielten, die sich sehr gezielt für einen Halbtagsjob mit sehr guter Bezahlung entschieden hatten. Kral hatte solche Anwürfe meistens recht flapsig gekontert, etwa in der Art: Sie hätten sich ja auch für den Beruf des Pädagogen entscheiden können, schließlich zeige sich die Intelligenz eines Menschen sehr deutlich bei der Berufswahl.
Aber er nahm Abstand von diesem Expertengehabe: Klingt nach Angeberei! Außerdem besaß er den Kasten gerade mal ein halbes Jahr und er musste immer noch recht häufig bei seinen Kindern anrufen, um dem Gerät brauchbare Ergebnisse zu entlocken. Also entschied er sich für beiläufiges »Mal sehen, was ich da finde.«
»Ach, fast hätt’ ich’s vergessen«, wandte sich Schuster an Kral, »Kollege Brückner und ich sind uns einig, dass es am besten wäre, wenn Sie wieder eine Zeitlang beim GPZ einsteigen. Ihre Mitarbeit in dem laufenden Fall sollte dienstrechtlich geregelt werden. Alles muss seine Ordnung haben!«
»Wenn Sie meinen, dann eben ganz formal. Aber wichtiger wäre mir, dass eine vernünftige Regelung mit meiner Schule gefunden wird«, antwortete Kral.
Schuster nickte: »Dr. Wohlfahrt vom Innenministerium hat schon seine Zustimmung signalisiert. Er wird das auch mit den Herrschaften vom Kultusministerium abklären. Wenn er wieder in Selb ist, wird er Ihnen seine Entscheidung wahrscheinlich mit großem Getöse persönlich mitteilen, Sie kennen ja seine Vorliebe für theatralische Auftritte.«
»Wahrlich, zur Genüge«, kommentierte Kral.
Die außerordentliche Lehrerratssitzung hatte um 15.30 Uhr begonnen. Auf Anordnung des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien Oberfrankens war eine Auseinandersetzung mit der neuen Lehrplangeneration angesetzt. Das Thema wurde ziemlich flott abgehakt, denn das Kultusministerium würde etwaige Einwände ohnehin wie üblich niederbügeln. Kral ließ es sich allerdings nicht nehmen, auf die unangenehme Konsequenz solcher Veränderungen hinzuweisen, denn er kannte das Spielchen zur Genüge: Der neue Lehrplan ist da, aber dem Kostenträger fehlen die Mittel, neue Lehrbücher anzuschaffen. Wenn dann nach Jahren die Bücher so langsam erneuert worden sind, folgt mit Sicherheit eine neue Veränderung des Lehrplans. Die Antwort war zu erwarten: Sein Einwand gehe völlig am Thema vorbei, erfuhr er von Dr. Hamann, dem Leiter der Anstalt, das Ministerium werde schon Mittel und Wege finden, um dieses Problem einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Ende der Diskussion!
Den nächsten Tagesordnungspunkt hatte man auch dem Beauftragten, besser gesagt, seiner Visitation des Selber Gymnasiums zu verdanken: pädagogische Hinweise. Der Ministerialbeauftragte war, wie nicht anders zu erwarten, im Rahmen seines Besuchs auf bestimmte Schlampereien bestimmter Lehrkräfte gestoßen, wie schlecht strukturierten Unterricht, überzogene Korrekturfristen oder fehlende Heftkontrollen. Kral ärgerte sich, dass das gesamte Kollegium mit der Kritik konfrontiert wurde, obwohl die Mehrheit gar nicht betroffen war. Aber anscheinend war die Ministerialbürokratie der Meinung, dass es überhaupt nichts schade, wenn man von Zeit zu Zeit der gesamten Lehrerschaft den Marsch blase und sie zu diesem Zweck ein bisschen nachsitzen lasse. Auch bei diesem Tagesordnungspunkt gab es geduldiges Zuhören und keine Proteste, die die Sache ja eh nur verlängern würden.
Jetzt nur noch der Punkt Verschiedenes! Könnte vielleicht in 20 Minuten erledigt sein, dachte Kral, der sich schon längst einer Beschäftigung zugewandt hatte, die ihm sinnvoller erschien als aufmerksames Zuhören. In der Mittagspause hatte er zwei Seiten des Internetauftritts eines Heiratsinstituts ausgedruckt, das in Bayreuth und Eger residierte und Damen aus Russland und der Ukraine als Heiratskandidatinnen anbot.
Er wusste inzwischen, dass das »äußerst seriöse Institut« namens »Fortuna« nur an Kunden interessiert war, die ernsthaft auf Partnersuche waren. Neu für ihn war, dass deutsche Männer bei osteuropäischen Frauen wegen ihrer Treue und Zuverlässigkeit sehr begehrt sein sollten und in jedem Fall der einheimischen Männerwelt vorgezogen würden, die in der Regel dem Alkoholismus
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