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Wildes Erwachen

Wildes Erwachen

Titel: Wildes Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Koenig , Birgit Koenig
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irgendwann mal tief und fest schlafen. Die Fenster ließen sich zwar nicht öffnen, weil man die Flügel mit Nägeln fixiert hatte, aber mit dem Stuhl ließe sich da einiges ausrichten. Machte zwar ziemlichen Lärm, aber sie musste einfach vorher mal testen, welcher Lautstärke es bedurfte, um die Saufköpfe aus ihrem Schlaf zu reißen.
    Nächstes Problem: Wohin am späten Abend oder in der Nacht? Die Wirtshäuser schon zu! Natürlich fuhr kein Bus mehr! Polizei? Reichlich perverser Gedanke! Natürlich gab es einen Haftbefehl gegen sie. Das hieß zunächst einmal Knast. Und der war alles andere als ein sicherer Aufenthalt für sie. Per Anhalter nach Asch und dann nach Eger? Aber wo einen sicheren Unterschlupf finden? Die Mafia suchte ihre Zielpersonen gründlicher und effektiver als die Polizei!
    Kurz nach fünf. Sie hatte sich auf die Liege gelegt und starrte mit offenen Augen in Richtung Zimmerdecke. Plötzlich erinnerte sie sich an das Einschlafritual ihrer Kindheit: Das Licht musste brennen, wenn sie im Bett der Eltern einschlafen durfte. Dann hatte sie an die Decke gestarrt, immer auf die gleiche Stelle! Nicht bewegen, nur starren, immerzu starren! Schließlich wurde der Raum größer und nahm die Gestalt einer riesigen Halle an, Möbel und Wände verloren ihre Konturen und sie schwebte in ihrem Bett, schwebte in ihre Märchenwelt.
    Sie starrte und starrte, aber ihr gelang kein Entschweben aus der Wirklichkeit, nur dieser blöde Gedanke: Zeugenschutz! Davon hatte doch Michail gefaselt! Der Begriff kam ihr bekannt vor, wahrscheinlich aus amerikanischen oder deutschen Filmen. Hatte irgendwas mit Straffreiheit und neuer Identität zu tun. Es war schwer vorstellbar, dass es so etwas in Tschechien gab. Sie müsste sich einfach mal erkundigen. Aber wen fragen? Ihr Rechtsanwalt würde sie sofort verpfeifen. Besser einen Richter oder einen Staatsanwalt oder vielleicht jemanden, der bei der Polizei etwas zu sagen hat!
    Aber kennen müsste man die Person!
    Ein neuer Versuch! Du musst nur lange genug an diese verdammte Decke starren!
     
    Eberlein war für 14 Uhr einbestellt. Die Rollenverteilung war von Schuster klar vorgegeben: Er selbst würde die Vernehmung führen, Brückner sollte als Beobachter der tschechischen Polizei fungieren und Kral war die Rolle des Dolmetschers zugedacht.
    Brückners abfällige Anmerkung »Furzkram!« ließ er nicht gelten: So stehe das nun mal im Polizeigesetz »und außerdem«, jetzt grinste er verschmitzt, »ist die Regelung bestens geeignet, den Anwalt, den er mit Sicherheit mitbringt, ein bisschen zu reizen.« Er schien damit zu rechnen, dass er auf einen arroganten Paragraphenreiter stoßen könnte, der zunächst mal das ganze Procedere in Frage stellten würde.
    Ein paar Minuten vor der vereinbarten Zeit betrat Eberlein zusammen mit seinem Anwalt das GPZ. Der eloquente Bauunternehmer hatte sich höfliche Zurückhaltung verordnet. Ganz anders sein Anwalt. Dr. Kolb, der wohl wegen seiner enormen Leibesfülle auf dem kurzen Weg vom Parkplatz ein bisschen aus der Puste gekommen war, erwies sich als die reinste Plaudertasche. Nachdem er wieder genügend Luft bekam, klagte er in aller Ausführlichkeit über das grausige Wetter, das ihn irgendwann in die Depression treiben würde, und die miserable Verkehrsanbindung der Stadt Selb an den Rest der Welt. Erst der freundlich vorgetragene Hinweis Schusters, es sei nun doch an der Zeit, sich dem eigentlichen Zweck des Zusammentreffens zuzuwenden, stoppte seinen Redefluss.
    Die Befürchtung des Kommissars, der Rechtsanwalt werde gegen die Anwesenheit eines tschechischen Polizisten protestieren, war völlig unbegründet. »Kein Problem für uns!« Dann machte er den Vorschlag, mit einer Erklärung seines Mandanten zu beginnen. »Könnte die Sache abkürzen«, meinte er, »wenn’s recht ist, mache ich das.« Schuster war einverstanden und der Anwalt legte los: »Mein Mandant räumt ein, dass er mit Frau Smirnov sexuellen Kontakt hatte. Er bedauert diesen unbedachten Schritt außerordentlich. Wir stellen allerdings fest, dass dieser Kontakt in beiderseitigem Einvernehmen erfolgt ist.«
    »Wie oft?«, wollte Schuster wissen, »ich meine, wie oft hatten Sie …?«
    »Viermal«, antwortete Eberlein leise.
    »Gegen Entgelt?«
    »Nicht direkt, aber ich habe dem Nürnberger etwa 300 Mark gegeben.«
    Der Anwalt hatte jetzt die undankbare Aufgabe, diese »Fehltritte« in ein mildes Licht zu rücken. Er entschied sich für eine gängige Version:

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