Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildes Erwachen

Wildes Erwachen

Titel: Wildes Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Koenig , Birgit Koenig
Vom Netzwerk:
bemerkt! Runter vom Weg! Schon spürte sie stacheligen Widerstand: Wahrscheinlich eine Hecke! Gleich würden die Scheinwerfer sie erfassen. Sie musste da durch!
    22.06 Uhr: Humpelnd und immer wieder auf allen Vieren kriechend, hatte sie auf der hinter der Hecke liegenden Wiese das Dorf erreicht. Nur noch die Brücke trennte sie vom Dorfplatz. Dem ersten Wagen war ein zweiter gefolgt. Wahrscheinlich würden die Insassen im Dorf nach ihr suchen. Jetzt weiterzugehen, wäre zu gefährlich. Aber warten konnte sie auch nicht mehr, denn die Schmerzen in den Füßen waren kaum noch auszuhalten. Außerdem war sie völlig ausgekühlt. Sie konnte nicht mehr und sie wollte nicht mehr! Sollten die Burschen sie doch abknallen! Das war es doch, was ihr verpfuschtes Leben verdient hatte.
    In dem Gasthaus auf der anderen Seite des Baches brannte noch Licht. Viel Betrieb konnte eigentlich nicht mehr sein, denn auf dem Parkplatz stand nur ein Auto. Nur dieses Stück noch! Vielleicht 20 oder 30 Meter.
    22.12 Uhr: Sie stand in dem spärlich beleuchteten Vorraum des Gasthauses »Zum Wiesental«. Links war der Zugang zum Gastraum, vor ihr die Gassenschänke, eine mit einem Glastürchen versehene Durchreiche zur Theke, rechts daneben die Küchentür, die einen Spalt offen stand. Das Klappern von Töpfen oder Pfannen war ein Zeichen, dass hier noch jemand am Werken war. Vorsichtig schob sie die Tür noch ein Stück weiter auf und blickte in den Raum. Eine grauhaarige Frau in einer blauen Kittelschürze, die ihr den Rücken zuwandte, hantierte an der Spüle. Sie überlegte, wie sie sich verhalten sollte. Als ihr Blick auf die Sitzecke fiel, kannte sie nur noch einen Gedanken: Du wirst dich jetzt dort hinsetzen und nichts und niemand wird dich daran hindern, dich auf einem der Stühle auszuruhen!
    Jetzt traf sie der erstaunte Blick der alten Frau: »Jesus, Maria! Mädchen, wie siehst du denn aus? Was ist passiert?« Renata blickte in ein gütiges Großmuttergesicht, das ihr Hoffnung machte.
    »Die haben mich entführt, aber ich bin abgehauen!«
    »O je, du Ärmste! Waren das diese windigen Kerle, die das Svoboda-Haus gekauft haben? Die holen bei uns das Essen. Unsympathische Gestalten, frech und arrogant! Du weißt aber schon, dass die dich suchen! Schnell, raus hier, die kommen bestimmt wieder! Außerdem weiß ich nicht, was meine Tochter sagt, wenn sie dich sieht.«
    »Ich kann nicht mehr!«
    »Aber du musst! Nur ein paar Schritte nach nebenan!«
    Das zierliche Frauchen half ihr vom Stuhl hoch und führte sie in einen neben der Küche gelegenen Raum. »Mein Reich, hier wohne ich, hier schlafe ich«, erklärte sie und geleitete die späte Besucherin zur Couch.
    22.40 Uhr: Renata saß in eine Decke gehüllt am Tisch und schlürfte heißen Tee. Ihre Wohltäterin hatte ihre Wunden an den Füßen und im Gesicht vorsichtig mit warmem Wasser gereinigt und mit einer Salbe behandelt.
    »Deine Füße sehen gar nicht gut aus, am besten wär’s ja, wenn sich das mal ein Arzt ansieht, wenn sich da was entzündet, dann …«
    Renata schüttelte heftig mit dem Kopf: »Wie denn jetzt zu einem Arzt kommen? Wenn die Kerle spitz kriegen, dass ich hier im Haus bin, dann fackeln die doch nicht lange.«
    »Polizei?«
    Wieder heftiges Kopfschütteln: »Nicht gut! Kann ich sicher sein, dass die Bullen nicht von der Bande geschmiert werden?«
    Die alte Frau nickte: »Schlimme Zeiten! Man kann über die Kommunisten sagen, was man will, aber so etwas hätte es früher nicht gegeben!«
    Angenehme Wärme durchflutete ihren Körper. Sie hatte sich schon fast aufgegeben und jetzt saß sie hier wohl versorgt in einer kuscheligen Stube bei einer heißen Tasse Tee! Aber war das ein Grund, sich gleich wieder obenauf zu fühlen? Es war schön, zunächst einmal in Sicherheit zu sein und dann noch eine Frau gefunden zu haben, die sie mütterlich umsorgte. Das war’s dann aber! Ihre Lage war nach wie vor äußerst bescheiden: Noch saß sie in der Falle, aus der es zunächst kein Entweichen gab. Schon komisch, dass ihr ausgerechnet der Name Brückner ein angenehmes Gefühl verschaffte! Auch so ein Kerl, der ihr alles Mögliche versprochen hatte, um sie ins Bett zu kriegen!
    Aber es war nun mal so: Nur über diesen komischen Kauz, der sich auch schon mal locker über Dienstvorschriften hinwegsetzte, konnte sie reinen Tisch machen. Was hatte sie sich denn eingehandelt mit der Jagd nach dem großen Glück? Nichts als leere Versprechungen und viel Dreck an ihren

Weitere Kostenlose Bücher