Wildes Herz
Indianerland im Stich, hast du dich geirrt! Später, wenn wir im Fort sind, werde ich versuchen, diese Wahrheit in deinen Dickschädel zu hämmern. Kann sein, dass ich mich dann abgekühlt habe oder du endlich erwachsen geworden bist. Bis dahin hältst du den Mund und lenkst mich nicht mehr ab, sonst wird keiner von uns den morgigen Tag erleben.“
Bevor sie etwas entgegnen konnte, fiel Lucifer in einen schnellen Trab. Sie hatte nicht einmal die Zeit, herauszufinden, was sie sagen wollte.
Als der Hengst am Talende ankam, hatte Ty seine Gefühle wieder unter Kontrolle. Er gestattete sich nicht, über Janna und die unmittelbare Vergangenheit nachzugrübeln. Seine Gedanken waren in die
Zukunft gerichtet, auf Cascabel und auf das, was vor ihnen lag.
Ty stieg vom Pferd und überblickte das Gelände vor dem Felsspalt, der aus dem Tal hinausführte. Auf der Wiese waren keine neuen Spuren zu erkennen. Nur ein schwach ausgetretener Pfad zeichnete sich im Gras ab. Trotz aller Bemühungen, niemals den gleichen Weg zum Talausgang zu nehmen, war es Janna und ihm nicht gelungen, diese verräterische Spur zu vermeiden.
Das spielt keine Rolle mehr. Wenn wir zurückkommen, ist das Gras nachgewachsen. Und dann wird es nicht mehr nötig sein, jeden Hinweis auf unsere Anwesenheit zu vermeiden.
Ein paar verwischte Fußabdrücke und Hufspuren, mehr deutete nicht darauf hin, dass jemals ein Lebewesen durch den dunklen Spalt in die Außenwelt gewechselt war. Ty folgte dem Bachbett und trat zwischen die eng stehenden Felsen. Über ihm strahlte das Nachmittagslicht und ließ vermuten, dass fast keine Wolken am Himmel standen. Bis zum Sonnenuntergang würden sie leicht zu entdecken sein. Keine Regenschleier würden sie einhüllen, während sie das wüste Land durchquerten.
Trotzdem hatten sie keine Wahl und mussten bei Tageslicht durch das Nadelöhr gehen. Im Dunkeln war der Wasserlauf für die beiden Pferde zu gefährlich. Zu leicht könnten sie stolpern und sich verletzen. Sollte es ihnen doch gelingen, bei Nacht sicher durch den Felsengang zu kommen, befänden sie sich, auch wenn sie bis zur Morgendämmerung durchritten, immer noch tief in Cascabels Gebiet. Bei Sonnenaufgang wären sie dann ein leichtes Ziel.
Ihre größte Chance hatten sie, wenn sie sich bei Tag aus dem Felsentor stahlen und dann auf weiten Umwegen das Fort zu erreichen suchten. Während Janna und Ty sich der nördlichen Grenze seines Herrschaftsgebiets näherten, durchstreifte Cascabel mit seinen Leuten hoffentlich den südlichen Teil. Das Fort lag drei harte Tagesritte entfernt. Außerhalb seiner Palisaden waren sie nirgends sicher.
Ty war in sicherer Entfernung vor dem sonnenhellen Felsentor stehen geblieben. Er zog sein Fernglas hervor und versuchte von seinem Standort zwischen den hohen Wänden das draußen liegende Gelände möglichst weit zu überblicken. Ein kurzer Schwenk zeigte nichts. Der zweite, langsamere Blick brachte dasselbe Ergebnis. Nichts zu sehen. Er suchte das Gelände Stück für Stück ab, und wieder deutete nirgendwo etwas auf die Anwesenheit der Abtrünnigen hin.
Wenn nur dieses Kribbeln in meinem Rückgrat nicht wäre.
Aber sein Rückgrat kribbelte, und Ty hatte nicht vor, die Warnung zu missachten. Dort draußen lauerte Gefahr. Wo sie lauerte und wie groß sie war, das musste er herausfinden. Unwillkürlich fuhr er mit den Fingern über den Griff des großen Messers, das er ständig am Gürtel trug. Er wartete eine Viertelstunde. Dann hob er noch einmal das Fernglas und betrachtete das Land. Wieder war nichts Beunruhigendes zu erkennen. Er legte seinen Rucksack ab und überprüfte, ob der Karabiner richtig geladen war. Dann nahm er eine Schachtel mit Patronen und trat nach draußen, um sich das Gelände genauer anzusehen.
Er hatte sich keine hundert Meter vom Felsspalt entfernt, als er die Fährte von drei unbeschlagenen Ponys kreuzte. Die Hufabdrücke blieben dicht nebeneinander und zeigten eine eindeutige Richtung. Die Ponys waren geritten worden und hatten nicht wie wilde Pferde auf ihrer Wanderung nach Futter hier zufällig gegrast. Die Hufspuren kamen aus dem Gebiet, in dem sich Cascabel bevorzugt aufhielt.
Ty folgte den Spuren und hoffte, die Armee war erfolgreich gewesen und hatte die Abtrünnigen vertrieben. Diese Hoffnung schwand, als er sah, dass noch andere Spuren mit denen, die er verfolgte, zusammentrafen. Sie vermischten sich, teilten sich wieder und führten dann in alle Richtungen; als hätten die Reiter sich zur
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