Wildes Herz
Vergewaltigung.
Während der Kriegswirren hatte er mehr als eine Frau verblüfft, als er ihr Nahrung, Unterkunft oder eine warme Decke gegeben hatte, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Nie würde er die Mischung aus Schrecken, Erleichterung und Dankbarkeit vergessen, mit der ein Mädchen ihn angesehen hatte, als er ihren mageren und zerschundenen Körper als Bezahlung für einen Teller Bohnen zurückgewiesen hatte. Sie hatte hastig aufgegessen und war in die Nacht verschwunden, als fürchtete sie, er könnte seine Meinung ändern und sie doch noch nehmen.
Dann hatte Ty sich nach Hause durchgeschlagen und erfahren müssen, dass seine Schwester Cassie weniger freundlichen Männern begegnet war. Sie hatten sie gefangen genommen, und als sie zu krank geworden war, um den Männern zu Diensten zu sein, hatten diese sie hilflos zurückgelassen. Sie wäre gestorben, hätten nicht Logan und Silver sie gefunden und hingebungsvoll gepflegt, bis ihr Körper und ihr Verstand wieder genesen waren.
Tys grimmige Gedanken passten zu der Stadt, die er besuchte. Er kam am Krämerladen vorbei. Nicht ein Mann lungerte vor dem Eingang herum. Am Geländer waren keine Pferde festgemacht. Kein Hund schlief im sonnenwarmen Staub. Das erste menschliche Wesen, das Ty entdeckte, war ein Junge, der an der Hintertür des Saloons einen Eimer mit Schmutzwasser ausgoss. Der Junge warf einen Blick auf Ty und verschwand wieder. Sekunden später ging die Tür knarrend noch einmal auf. Mit einer Schrotflinte in seinen dicken Händen erschien der Saloonwirt. Er musterte Tys muskelbepackten nackten Körper und die vernarbten Wunden.
„Kraft genug haben Sie. Die richtige Farbe auch“, sagte der Wirt. „Tyrell MacKenzie, wenn mich nicht alles täuscht?“
Ty nickte langsam.
Der Saloonwirt trat zur Seite. „Kommen Sie rein. Ich bin Ned. Ein Kerl, er nannte sich Blue Wolf, kam vor ungefähr zwei Wochen und hat nach Ihnen gefragt.“
Ty hörte den Namen Blue Wolf und hätte beinahe laut gelacht. „Hab mich schon gefragt, wie lange er braucht, um mich zu finden.“ „Freund von Ihnen?“
„Ja.“
„Gut für Sie. Den Burschen möchte man nicht zum Feind haben. Verdammt groß und stark. Könnte sich mit Cascabel anlegen.“
„Und schießt wie der Teufel.“
Ned grunzte. Er langte hinter die Tür, riss ein zerlumptes Hemd vom Nagel und warf es Ty hin. „Hängen Sie sich das um. Und nehmen Sie einen Stuhl.“
Mit wenigen Handgriffen schlang Ty das Hemd um die Hüften und verknotete es zwischen den Beinen. Dann setzte er sich. Nach den Monaten in der Wildnis genoss er das ungewohnte Gefühl, wieder einen Stuhl unter sich zu haben. Ned durchquerte den kleinen Raum. In einer rußgeschwärzten Ecke stand auf eingeknickten Beinen ein wackliger Herd. Ned nahm einen Topf von der Platte, wischte am Hosenboden einen Löffel ab und steckte ihn in die Mahlzeit. Dann schob er Ty den Topf hin.
„Vermute, Sie haben Hunger.“
Ty war nicht hungrig, aber das Eingeständnis würde zu viele Fragen aufwerfen. Er langte in die kalten Bohnen, aß hastig und versuchte nicht daran zu denken, wie viel besser Jannas Essen schmeckte. Sauberer war es bei ihr auch. Das Lagerleben bei den heißen Quellen hatte ihn verwöhnt. Jeden Tag ein Bad, sauber gespültes Geschirr und Jannas frischer Duft, wenn sie in seiner Nähe war. Es würde lange dauern, bis er stinkende Saloons wieder ertrug. „Danke.“ Er stieß den leeren Topf weg.
„Was zu rauchen?“
Er schüttelte den Kopf. „Habe damit aufgehört, seit ich im Krieg gesehen habe, wie ein Mann umkam, weil er sich im Dunkeln eine Pfeife anzündete. War ein Wachposten, der besser auf den Feind geachtet hätte und unsichtbar geblieben wäre.“
Ned entblößte grinsend seine Zähne. Sie waren dunkel wie die Bohnen, die Ty gegessen hatte. „Das Soldatenleben kann verdammt hart sein. Als Bankräuber oder Viehdieb lebt sich’s weniger gefährlich.“ Die versteckte Frage nach seiner Vergangenheit überhörte Ty.
„Ich will Ihnen nicht dumm kommen“, sagte Ned hastig. „Aber seit zwei Wochen bin ich mit Johnny allein. Der Rest ist zum Fort. Hatten alle die Hosen voll wegen Cascabel, dem elenden Halunken. Soll erst letzte Woche zwei weiße Männer umgebracht haben.“
„Davon weiß ich nichts. Ich musste mich die ganze Zeit verstecken und warten, dass meine Wunden verheilten. Hat Blue Wolf gesagt, wann er zurückkommt?“
Ned öffnete einen Steinkrug und knallte ihn auf den Tisch. „Keine Ahnung, ob der
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