Wildes Herz
hatte Janna jahrelang ohne ihn in diesem Gebiet überlebt. Trotzdem gefiel ihm die Sache nicht.
„Du gehst mit mir“, sagte er unvermittelt.
Verblüfft blickte sie auf. „Warum?“
„Ich habe ein mordsmäßiges Kribbeln im Rückgrat. Das ist der Grund. Ich höre auf meine Instinkte.“
„Lucifer blutet. Wenn ich mich beeile ..."
„Ein paar Minuten mehr oder weniger ändern nichts mehr“, unterbrach er sie. „Außerdem wissen wir nicht mit Sicherheit, ob er tatsächlich von einer Kugel getroffen wurde. Vielleicht hat er sich auch an einem abgebrochenen Ast geritzt. Oder ein anderes Pferd hat ihm die Wunde zugefügt. Ich habe mehr als einmal gesehen, wie er gegen einen Hengst gekämpft hat, der dreist genug war, ihm die Führungsrolle streitig zu machen. Als sie sich trennten, triefte bei beiden das Blut.“ Ty wandte sich zur Wiese zurück. „Beeil dich. Wir vergeuden unsere Zeit, wenn wir reden, statt Spuren zu suchen.“
Mit halb geschlossenem Mund verfolgte Janna, wie er rasch ausschreitend dem Wildwechsel folgte und nach Zeichen Ausschau hielt, ob noch mehr Pferde und Menschen in letzter Zeit den Trampelpfad benutzt hatten. Ob er bemerkte, dass sie hinter ihm zurückblieb, wusste sie nicht.
Sie drehte sich wortlos um und rannte in die entgegengesetzte Richtung. Sie folgte der Fährte, die Lucifer bei seiner wilden Flucht weg von der Wiese hinterlassen hatte.
25. Kapitel
Mit gesenktem Kopf, die Aufmerksamkeit auf den Trampelpfad der Wildpferde gerichtet, schritt Ty rasch durch den Wald auf die Wiese zu. Hufabdrücke und andere Zeichen waren reichlich vorhanden. Er erkannte beim Gehen, dass alle Spuren schon einige Tage alt waren. Er suchte nach frischeren Fährten.
Weniger als siebzig Meter von der Wiese entfernt fand er die Spuren.
Die leere Whiskeyflasche glitzerte auf einem Polster aus Piniennadeln. Lange hatte die Flasche dort noch nicht gelegen. Als er sie aufhob, stieg der Alkoholdunst kräftig in seine Nase. In der Nähe stand ein Baum. Sein Stamm war in Brusthöhe mit Urin bespritzt. Neben dem Baum hatte ein beschlagenes Pferd seine Hufspuren hinterlassen.
Ty konnte sich sehr gut ausmalen, was geschehen war: Joe Troon, denn die leere Flasche gehörte ihm und keinem einsam durch die Gegend reitenden Indianer, hatte vom Sattel aus Wasser abgeschlagen und war dabei überrascht worden.
„Ich wette, Troon war Lucifer dicht auf den Fersen. Dann überwältigte ihn der Harndrang. Er musste sich dringend erleichtern“, sagte Ty leise, in dem Glauben, dass Janna hinter ihm stand. „Er blieb im Sattel sitzen und gab einen kräftigen Strahl ab, als er zwischen den Bäumen Lucifer entdeckte. Da ließ er alles fallen und packte sein Gewehr. Mein Gott, muss das eine Schweinerei gewesen sein.“
Sie blieb stumm. Er blickte hinter sich und sah nur seine eigenen Fußabdrücke. Von Janna keine Spur.
Das Unbehagen, das ihn die ganze Zeit beschlichen hatte, verwandelte sich in angstvollen Schrecken. Er kämpfte den Impuls nieder, seine eigene Spur zurückzuverfolgen, bis er auf Janna traf. Das würde zu lange dauern. Er war beinahe einen Kilometer gelaufen. Offensichtlich begegneten sich Troons und Lucifers Spuren irgendwo wei-ter vom. Wenn Ty der einen Fährte folgte und Janna der anderen, würden sie sich rascher wieder finden und gewannen Zeit.
Sie konnten sich glücklich schätzen, wenn ihnen auf der Suche nach dem Grund für den einzelnen Gewehrschuss keiner von Cascabels Abtrünnigen über den Weg ritt. Ty rechnete nicht ernsthaft mit dieser Gunst des Schicksals.
Üble Flüche murmelnd, schritt er die Fährte ab, die das beschlagene Pferd hinterlassen hatte. Nach dreißig Metern sah er eine leere Patronenhülse aus Messing in den Piniennadeln glänzen. Das blanke Metall war ein Zeichen, dass die Patrone erst vor kurzem verschossen wurde. Er war sicher, sie stammte aus dem Gewehr, das vor einer knappen halben Stunde abgefeuert wurde. Der Knall hatte ihn und Janna aus dem Schlaf geschreckt. Für ihn bestand auch kein Zweifel, wem dieser Schuss gegolten hatte.
Du besoffenes, gieriges Schwein. Wenn du den Hengst umgebracht hast, röste ich dich bei lebendigem Leib und serviere dich Cascabel, geschmückt mit einem Apfel im Mund.
Gewehrschüsse zerrissen die Stille. Er hörte wilde Schreie. Die abtrünnigen Indianer waren auf Menschenjagd und verfolgten eine heiße Fährte. Angst durchzuckte ihn wie ein dunkler Blitz. Die Geräusche kamen von vom rechts, aus der Richtung, in die Troons Spuren
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