Wildes Herz
eines beschlagenen Pferdes, das die Wiese überquert hatte und im dichten Pinienwald am anderen Ende verschwunden war. Diese Hufspuren hatten in der vergangenen Nacht das Interesse der jagenden Indianer geweckt.
„Troon“, flüsterte Janna und betrachtete die Hufabdrücke.
„Woran erkennst du das?“
„Siehst du, wie abgenutzt das Hufeisen vorne links ist? Troon ist zu geizig, um sein Pferd regelmäßig beschlagen zu lassen.“
„Hat sich keine Mühe gemacht, seine Spuren zu verbergen“, murmelte Ty.
„Wahrscheinlich war er betrunken.“
„Dann ist er jetzt wohl tot. War er hinter Lucifers Herde her?“
„An den Spuren hier kann ich das nicht erkennen. Ich müsste weiter zur Mitte und die schlammigen Stellen entlang des Raven Creek untersuchen. Übrigens mischt sich Lucifer nie unter die Herde, wenn die Stuten grasen. Sollte dies seine Herde sein, sind seine Spuren irgendwo am Rand.“
Sie blickten auf die einladend leere Wiese, über die Troon gestern gekommen war. Der Boden war noch feucht vom Tau, aber sie blieben ruhig liegen. Wenn sie jetzt aufstanden, würden am Wiesenrand versteckte Beobachter sie leicht ausmachen können. Das Stromgebiet des Raven Creek wurde immer häufiger von Cascabels Bande und der ständig wachsenden Zahl neuer Abtrünniger überrannt.
Mit hartem Blick in seinen grünen Augen suchte Ty die Grenze zwischen Wald und Wiese nach Hinweisen ab, ob Indianer in der Nähe waren. Vögel sangen, flatterten hoch, landeten in den niedrigeren Zweigen der Bäume oder auf der Wiese. Aber nirgends schrie ein Vogel erschrocken auf, wenn er sich in die Luft erhob; was bedeutet hätte, dass im Umkreis der Wiese am Raven Creek Gefahr lauerte.
Janna beobachtete das Gebiet mit der gleichen Sorgfalt. Sie sah nichts, das sie beunruhigen müsste. Trotzdem zögerte sie, die Wiese zu überqueren, um entweder Lucifers Spuren oder denen von Joe Troon zu folgen. Sie sah zu Ty, dann mit einer stummen Frage auf die Wiese. Er schüttelte langsam den Kopf. Sie widersprach nicht. Zusammen krochen sie zurück, tiefer zwischen die kleinen Bäume und das Buschwerk, das die Wiese sonnenhungrig umstand. Wieder im Schutz des Hochwaldes, gab Ty Janna mit einer Geste zu verstehen, dass sie den besten Weg zur anderen Wiesenseite suchen sollte.
Rasch und geräuschlos drang Janna tiefer in den harzig duftenden, dämmrigen Wald. Unter den hohen Bäumen wurde das Gehen leichter. Die Pinienkronen ließen kaum Sonnenlicht durchdringen, so dass am Boden nichts wuchs. Trotzdem zwangen sie umgestürzte Bäume und abgebrochene Äste zu vielen Kurswechseln. Alle paar Minuten blieb sie reglos stehen, so wie ein Reh. Sie blickte sich um und lauschte in den Wald, mit vollendeter Anmut und Ruhe.
Ty wurde nie ungeduldig bei den Umwegen und den scheinbar willkürlichen Pausen, die sie einlegte. Sie zu beobachten, wie sie mit der Wildnis verschmolz, war ein Genuss für ihn. Er glaubte an seine Fähigkeiten als Spurenleser und Jäger. Darin übertraf ihn kaum jemand. Aber auf dem Black Plateau war Janna zu Hause. Sie fand sich mit schlafwandlerischer Sicherheit zurecht.
Gut, dass ich sie eingeholt habe, bevor sie hier oben war, dachte er, als er sah, wie sie in den Baumschatten verschwand. Ich hätte sie nicht mehr gefunden.
Ein Teil von ihm fragte, ob das nicht besser für beide gewesen wäre, aber er verwarf den Gedanken, bevor er richtig aufgetaucht war. Die Vorstellung, diese überwältigende, verzehrende Lust nie erlebt zu haben, war unerträglich für ihn.
Geräuschlos schritt Janna weiter, wie ein grauer Schatten zwischen anderen Schatten. Ty lehnte den Karabiner gegen die Schulter, in eine bequemere Tragehaltung. Die rechte Hand behielt er am Schaft, nah am Abzug. Der Lauf war nach oben gerichtet, damit er niemanden traf, falls sich zufällig ein Schuss löste. Der Wollstoff seiner geknöpften Hemdtasche spannte sich über einer Patronenschachtel. Noch mehr dieser Schachteln machten seinen Rucksack schwerer, als die Größe vermuten ließ.
Er achtete nicht auf das zusätzliche Gewicht. Noch weniger kam ihm der Gedanke, sich zu beklagen. Für ein paar Kugeln mehr hätte er in früheren Zeiten oft genug seine Seele verkauft. Mit dem Dörrfleisch, das er im Augenblick kaute, war die Sache kaum anders. Das Zeug mochte zäh wie Leder sein, ungesalzen und knochentrocken, aber es machte satt. Er hatte zu oft Hunger gelitten, um mit seiner
Nahrung wählerisch zu sein.
Ein leichter Windhauch strich über Janna und Ty und
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