Wildes Herz
hundert Meter entfernt. Es würde ein leichter Schuss sein. Mit der Pistole hatte er schon schwierigere Schüsse abgegeben. Aus der Richtung, wo Troon von den Abtrünnigen gejagt wurde, drangen wilder Schießlärm und Triumphgebrüll herüber. Ty ließ sich nicht ablenken. Den Finger fest am Abzug, blieb seine Aufmerksamkeit auf den Grund des Grabens gerichtet.
Ein Mann schrie. Entweder war Troon getroffen oder einer der Indianer. Ty blickte weiter in die Schlucht, wo Janna sich mühte, das große Pferd niederzuringen. Ihm war klar, früher oder später würde Lucifer seinen Kopf aus ihrem Griff losreißen und sie zur Seite werfen.
Was, zum Teufel...?
Mit einem Knie presste Janna das Pferdemaul auf den Boden, mit dem anderen drückte sie den Hengst direkt hinter den Ohren nieder. Sie kniete rittlings auf dem Pferd, während sie sich gleichzeitig das Hemd vom Körper riss.
Wild anschwellendes Hurrageschrei, begleitet von Gewehrsalven, sagte Ty, dass die Jagd auf Joe Troon vorbei war. Ty blickte jedoch unbeirrt in die Schlucht. Er würde nicht einmal die Straße überqueren, um einem Mann zu Hilfe zu eilen, der Janna in die Enge getrieben hatte und sich vor einem Saloonwirt brüstete, was er mit ihr anstellen würde, wenn sie ihm ein zweites Mal in die Hände fiel. Für Ty war die Sache klar. Troon hatte Ärger gesucht und mehr bekommen, als ihm lieb war. Das geschah oft, wenn ein Mann zu viel soff und zu wenig nachdachte. Ty wünschte nur, dass Troon schon früher sein Schicksal ereilt hätte und nicht erst, nachdem er die Abtrünnigen bis auf einen halben Kilometer an Janna herangebracht hatte.
Über den kalten Lauf des Karabiners gebeugt, beobachtete Ty, wie Janna ihr zerrissenes Hemd zu einer Augenbinde faltete und den Stoff mühsam an Lucifers Kopf festknotete. Sofort hörte der Hengst auf, sich herumzuwerfen. Rasch umwickelte Janna auch das Maul. Als sie fertig war, konnte Lucifer die Lippen nur noch einen Spalt weit öffnen. Sie beugte sich erneut über den Hengst, hielt ihn am Boden fest und streichelte seinen schaumbedeckten Hals.
Ty konnte sehen, wie bei jeder Berührung durch Jannas Hand ein ängstliches Zittern über Lucifers schwarzes Fell lief. Er sah auch, dass der Hengst keine Gefahr mehr für Janna darstellte. Mit verbundenen Augen, verschlossenem Maul und durch ihr Gewicht am Platz gehalten, war Lucifer hilflos.
Sehr langsam nahm Ty den Finger vom Abzug und sank hinter einer einzelnen Pinonkiefer zu Boden, die ihre Wurzeln in den felsigen Boden der Anhöhe geklammert hatte. Verdeckt durch dunkelgrüne Äste, zog er sein Fernglas heraus und spähte nach rechts. Ein Blick bestätigte, was seine Ohren bereits wussten. Joe Troon hatte den letzten Fehler gemacht.
Ty sah sich sorgfältig um und kam zu dem Ergebnis, dass er von seinem Beobachtungspunkt aus den Graben am besten schützen konnte. Er zog den Hut tiefer und suchte sich eine bequeme Schussposition. Dann schüttelte er den Rucksack ab und stellte zwei geöffnete Munitionsschachteln in Reichweite. Bäuchlings auf dem harten Untergrund liegend, mit seinen grünen Augen über dem metallisch glänzenden Lauf des Gewehrs den Abhang visierend, wartete Ty, ob die Indianer zur Schlucht zurückkehrten, nachdem sie mit dem Ausplündern und Verstümmeln von Troons Leiche fertig waren.
26. Kapitel
„Ruhig... ganz ruhig, Junge.“
Das ständige Murmeln und der sanfte Druck von Jannas Händen drangen schließlich durch die Mauer aus Schmerz und Panik zu dem Hengst durch. Lucifer stöhnte und gab mit einem gedehnten Seufzer die Gegenwehr auf. Janna belohnte ihn. Sie verlagerte ihr Knie von der Schnauze auf den Boden und hörte nicht auf, das Pferd mit immer neuen Worten und sinnlosen Geräuschen zu loben. Ihr war klar, dass weniger die Bedeutung als der Klang ihrer Stimme seine Furcht schwinden ließ.
Sehr langsam glitt Janna mit dem anderen Knie von Lucifers Hals, so dass er seinen Kopf wieder heben konnte. Lucifer versuchte nicht, seine neu gewonnene Freiheit zum Aufstehen zu nutzen. Wie Janna gehofft hatte, machte die Augenbinde ihn ruhiger und hielt ihn sicherer am Platz als eine Seilfessel. Trotzdem band sie widerstrebend sein linkes Hinterbein an das rechte Vorderbein. Sie wollte verhindern, dass der Hengst vor Schmerz ausschlug, wenn sie die Schusswunde an seinem linken Hinterbein reinigte und versorgte. Ihre Verletzungen waren zahlreich genug. Ein Knochenbruch half weder ihr noch Lucifer.
Ohne auf die eigenen Schmerzen zu achten, behielt
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