Wildes Herz
Als Ty ihre Umarmung erwiderte, sie hochgehoben und leidenschaftlich an sich gepresst hatte, war die Hoffnung in ihr aufgekeimt, dass er mehr für sie empfand und nicht nur eine willkommene Gelegenheit zur Erfüllung seiner körperlichen Bedürfnisse in ihr sah. Dann war er schweigend und Hand in Hand mit ihr durch den Gewitterregen gegangen - wie ein guter Freund, und sie war sicher gewesen, dass er etwas für sie empfand.
Sie hatte nicht bedacht, dass er diese Zuneigung bereuen könnte und ihr übel nahm, Gefühle in ihm geweckt zu haben.
„Bei Gott, du wirst etwas von mir annehmen“, fuhr Ty fort. „Lucifer gehört zur Hälfte dir.“
„Ich will ihn nicht.“
„Ich wollte auch nicht, dass du deinen Hals riskierst“, gab er scharf zurück. „Da sieht man, wohin mich meine Begierde geführt hat.“
Janna riss den Kopf zur Seite, weg von ihm. „Ist dir noch nie der Gedanke gekommen, ich könnte um nichts gebeten haben, weil du nichts besitzt, was ich haben will?“
„Nichts?“ fragte er. „Willst du mich zum Narren halten?“
Der Klang seiner Stimme verriet ihr, dass Ty daran dachte, wie sie ihn mit den Händen liebkost hatte, wie ihre Lippen aufeinander lagen und sie die Hüften zu ihm hob, als stumme Bitte, sich ganz mit ihr zu vereinen. Scham überflutete sie.
„Keine Sorge“, sagte sie mit angespannt klingender Stimme. „Heute Nacht werde ich dich nicht verführen. Du kannst in Ruhe schlafen.“
„Mich verführen? Denkst du wirklich, so wäre das gewesen? Du hast mich verführt?“ Er lachte. „Süße, du hast nicht die geringste Ahnung, wodurch ein Mann verführt wird. Eine Frau reizt einen Mann durch die raschelnde Seide ihrer Kleider, sie lächelt geheimnisvoll und berührt den Mann wie zufällig mit ihren weißen, nach Parfüm duftenden Händen. Sie verführt ihn mit ihrer Konversation und ihrer süßen melodischen Stimme, wenn sie auf einem glanzvollen Ball die geladenen Gäste unterhält. Sie zeigt ihre Vertrautheit mit edlen Weinen und erlesenen Speisen, und wenn sie mit schwe-bender Anmut das Zimmer betritt, wo sich ihr Liebster befindet.“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist wahr, du hast mit mir geschlafen, aber genauso wahr ist, dass du mich nicht verführt hast.“
Janna erinnerte sich, was er in der vergangenen Nacht über sie gesagt hatte ... Für dich käme nur ein Leben als Mätresse eines reichen Mannes infrage. Aber selbst dieser Weg ist dir verschlossen, da dir das nötige gesellschaftliche Auftreten fehlt.
Wortlos wandte sie sich von ihm ab. Ohne auf den Schmerz in ihrem verletzten Arm zu achten, schwang sie sich auf Zebras Rücken.
„Janna? Was, zum Teufel...?“
Sie antwortete nicht, sondern trieb die Stute mit den Fersen voran, bis sie nichts mehr sah und hörte als den Regen.
31. Kapitel
„Los, nur noch ein kleines bisschen weiter“, sagte Ty zu dem Hengst und hoffte, dass dies keine Lüge war. Weder seine Stimme noch die stetige Zugbewegung mit dem Hackamore verrieten das ungute Gefühl, das Ty bis ins Mark ging. Seine Muskeln fühlten sich mürbe an. „Sie hat gesagt, das Nadelöhr wäre hier oben, auf dieser kleinen Anhöhe.“
Während der langen Stunden, in denen es immer wieder geregnet hatte und die Sturmböen über sie hinwegfegten, war das alles gewesen, was sie gesagt hatte. Wenn es nicht regnete, war Janna in großem Abstand vor Ty und Lucifer geritten. Bei einem neuen Wolkenbruch kam sie näher heran, damit Ty ihren Spuren folgen konnte, solange sie im Regen erkennbar blieben. Als die Dunkelheit hereinbrach, ritt sie in noch kleinerem Abstand vor ihm, um sicherzugehen, dass Lucifer sich nicht verirrte.
Ty war sicher, das Wohlergehen des Hengstes bedeutete ihr mehr als sein eigenes. Seit sie auf Zebras Rücken saß, hatte sie sich nicht mehr mit ihm unterhalten. Er vermisste die Gespräche und ihr Lachen. Vor allem aber fehlte ihm das warme, vertraute Schweigen, das sie miteinander teilten, wenn sie Hand in Hand durch den kalten Regen gingen.
Das Schweigen, das jetzt zwischen ihnen herrschte, seit Janna mit Zebra voranritt, hatte nichts Vertrautes. Es war kalt und leer wie die Nacht.
Endlich drang durch die Dunkelheit ein schwaches Wiehern zu ihnen. Lucifer antwortete ebenfalls mit einem Wiehern. Ty wurde von keiner Stimme willkommen geheißen. Janna glitt von Zebras Rücken und ging um den Hengst herum. Noch immer sagte sie nichts. Stirnrunzelnd und im kalten klaren Mondlicht blinzelnd, das zwischen den vom Wind auseinander getriebenen
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