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Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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können, dass Lucifer abstürzte.
    Janna presste die Faust gegen die Zähne, um einen Schrei zu unterdrücken. Ty war ein furchtbares Wagnis eingegangen. Hätten sein Gewicht und seine Kraft nicht ausgereicht, um der Schwerkraft entgegenzuwirken, wäre er mit Lucifer in die todbringende Schlucht gerissen worden.
    „Das hätten wir, mein Sohn“, sagte Ty mit besänftigender Stimme, obwohl sein Herz hämmerte, als wollte es den Brustkorb sprengen. „Bleib sitzen, und komme wieder zu Atem. Das verdammte Bein spielt dir dumme Streiche. Du spürst, es ist da, und glaubst, du könntest dich darauf stützen wie immer. Aber das stimmt nicht. So ist das mit der Kraft. Du verlässt dich darauf, und dann lässt sie dich im Stich. Jetzt benutzt du zur Abwechslung deinen Kopf. Du kannst diesen Pfad nicht hinabstürmen, als wärst du stark und gelenkig wie sonst. Du musst langsam und vorsichtig nach unten gehen.“
    Als Lucifers Haut nicht mehr vor Anspannung zuckte, lockerte Ty allmählich den Zug mit dem Führstrick. Der Hengst verlagerte vorsichtig sein Gewicht nach vom und setzte den Abstieg fort. Scheinbar hatte er Tys Worte verstanden. Er bewegte sich bedächtiger und belastete sein verletztes Bein weniger.
    Als Lucifer den steilsten Abschnitt hinter sich hatte, zitterte Janna, noch immer von einer Angst erfüllt, die sie um sich selbst nie empfunden hatte. Mann und Pferd standen auf sicherem Boden. Sie atmete bebend aus, rannte zu Ty und umschlang ihn leidenschaftlich, ohne auf ihren verletzten Arm zu achten.
    „Ich hatte solche Angst“, sagte sie und schmiegte sich an seinen Hals. „Der Gedanke ging mir nicht aus dem Kopf, was geschehen
    würde, wenn Lucifer zu schnell rutschte oder endgültig den Halt verlor und du keine Gelegenheit mehr zum Ausweichen hättest.“
    Ty umarmte Janna. „Mir kam der Gedanke auch gelegentlich“, antwortete er rau. „Aber dich vor Zebra zu sehen, mit der Gewissheit, nichts tun zu können, sollte ein Unfall geschehen, war die schlimmste Angst für mich.“ Er presste Janna noch leidenschaftlicher an sich und genoss ihre lebendige Wärme, ihren weichen, biegsamen Körper und den zärtlichen Hauch ihres Atems an seinem Hals. „Oh meine Kleine. Ich danke Gott, dass ich dich in den Armen halten kann und wir beide am Leben sind.“
    Ein kühler Wind blies vom Hochplateau in die Schlucht. Ihm folgte Donnergrollen. Zögernd ließ Ty Janna los und stellte sie wieder auf den Boden. Er zog den zerknitterten Regenumhang aus seinem Rucksack und legte ihr wortlos die wasserdichte Plane um.
    „Das sollte reichen“, sagte er. „Und jetzt nichts wie weg aus dem offenen Gelände. Die steile Wand hat uns nicht umgebracht, dem Blitz geben wir auch keine Gelegenheit dazu.“
    Er hob sie mit einem Schwung auf Zebras Rücken. Seine Kraft und Beweglichkeit überraschten sie auch dieses Mal.
    „Warte nicht auf mich. Bring dich in Sicherheit, weg vom Hang.“ . Er trat einen Schritt zurück und gab Zebra einen Klaps auf das Hinterteil. „Lauf zu, Pferd. Behalte deine Reiterin oben, sonst ziehe ich dir das Fell über die Ohren und mache eine Sofadecke daraus.“ Zebra verfolgte den Pfad weiter abwärts. Auch Lucifer war eilig darauf bedacht, den ungeschützten Pfad, der vom Fuß der Ostflanke in die darunter liegende Steppe führte, möglichst rasch zu überwinden, aber seine Verletzung zwang ihn zu einer langsameren Gangart. Schwer lahmend, mühte sich der Hengst über den felsigen Hang zu Tal.
    Als er und Ty die zerklüfteten Ausläufer des Hochplateaus erreichten, hatten die Gewitterwolken sich dicht zusammengezogen und die letzten Sonnenstrahlen verschluckt. Dann senkten sich die ersten wehenden Regenschleier hinab, durch die Himmel und Erde eins wurden. Glühende Blitze tanzten über das Land, Donner polterte hinterher. Wenn sie Glück hatten, gehörten die Gewitterwolken zu einer kleinen und rasch weiterziehenden Wetterfront. Bei weniger Glück hielt der Regen stundenlang an. Sollte der Gewitterregen den Durchgang in Jannas geheime Schlucht so hoch überfluten, dass sie ihn nicht mehr betreten konnten, hatten sie richtig Pech. Dann mussten sie wohl oder übel eine weitere Nacht
    im Freien verbringen.
    Auch wenn Lucifer unter Schmerzen sein Bestes gab, kam er nur schleppend voran. Sie würden Stunden brauchen, bis sie ihren rettenden Zufluchtsort erreichten.
    Durch den Regen verschlechterte sich rasch die Sicht. Der Blick reichte kaum mehr fünfzig Meter weit. Den Weg zu erkunden war unmöglich und

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