Wildes Herz
überflüssig. Janna wendete Zebra und kehrte auf den Spuren der Stute um, bis sie Ty und Lucifer sah. Sie glitt von Zebra und schritt neben Ty her.
„Reite vor uns in dein Tal“, sagte er; „Es hat keinen Zweck, wenn du dir in diesem Regen den Tod holst.“
„Wenn ihr ankommt, ist es bereits eine Stunde dunkel. Ihr werdet das Nadelöhr verfehlen. Außerdem weißt du, wie das ist in Not und Bedrängnis. Ich hatte das Bedürfnis nach Gesellschaft.“
Er überlegte, energischer gegen ihre Anwesenheit zu protestieren, und entschied sich anders. Ein Teil von ihm gab Janna Recht. In der Dunkelheit und bei heftigem Regen würde er allein den engen Taleinschnitt nur schwer finden. Er hatte den Gang nur ein einziges Mal in Talrichtung durchquert, und damals war er mehr tot als lebendig gewesen. Der wahre Grund, aus dem er nicht widersprach, war Janna. Er genoss ihre Anwesenheit.
„Janna?“ fragte er nach langem Schweigen, das nur durch den niederprasselnden Regen unterbrochen wurde.
„Ja?“
„Warum hast du dein Leben aufs Spiel gesetzt und Lucifer unten im Graben festgehalten?“ sprach Ty den Gedanken aus, der ihn seit Stunden beschäftigte.
„Ich wollte nicht, dass Troon ihn noch einmal erwischt.“
„Aber du hast das Gejohle der Abtrünnigen gehört. Troon war so gut wie tot. Das wusstest du. Trotzdem hast du Lucifer festgehalten und dich selbst in Gefahr gebracht.“
Janna sagte nichts.
„Meine Süße? Warum?“
„Ich habe dir eine Gelegenheit versprochen, Lucifer zu zähmen“, antwortete sie schlicht. „Ein günstigerer Moment als in dem Graben wäre nie wieder gekommen.“
Er fluchte kaum hörbar. „Dachte ich mir, dass eine verrückte Idee dahinter steckt. Hör zu. Du bist von dem Versprechen entbunden. Hast du mich verstanden? Sollte Lucifer beschließen, über alle Berge zu gehen, ist das meine Sache. Nicht deine. Du hältst dich zurück. Ich will nicht, dass du verletzt wirst.“ Er wartete. Sie sagte nichts. „Janna?“
„Ich habe dich gehört.“
„Wenn Lucifer durchgeht oder verrückt spielt, habe ich dein Wort, dass du dich auf Abstand hältst und nicht eingreifst?“
„Ty..."
„Gib mir dein Wort“, unterbrach er, „oder ich kehre auf der Stelle zu Fuß nach Wyoming zurück, so wahr mir Gott helfe. Und zur Hölle mit diesem verfluchten schwarzen Teufel.“
„Aber er ist deine Zukunft, deine einzige Chance, genug Geld zu verdienen, um dir deine Seiden...“
Er unterbrach sie mit einem Schwall unzüchtiger Flüche. Sie waren zwei Kilometer gegangen, bis sie den Mut aufbrachte, das nachfolgende Schweigen zwischen ihnen zu brechen.
„Versprochen“, sagte sie. „Ich verstehe zwar nicht, warum du nicht willst, dass ich dir helfe, aber „Das verstehst du nicht?“ fragte Ty heftig und schnitt ihr erneut das Wort ab. „Du musst eine verdammt schlechte Meinung von mir haben, wenn du glaubst, ich würde meinen Traum auf deine Leiche bauen!“
„So habe ich das nicht gemeint!“ sagte sie sofort, erschrocken, dass er sie missverstand. „Ich weiß, etwas so Furchtbares würdest du nie tun. Du bist viel zu anständig, sanft und großmütig.“
Er lachte ebenso rau, wie er geflucht hatte. Ein anständiger, sanfter, großmütiger Mann hätte niemals seinen Hunger nach einer Frau auf Kosten von Jannas Unschuld gestillt. Genau das hatte er getan. Sie hatte ihre Unschuld verloren, und er war schuld ... Schlimmer, er bereute nicht einmal, was er getan hatte. Die berauschende Einheit, die er mit ihr erlebt hatte, war zu groß und zu überwältigend gewesen. Er würde diesen Augenblick nie vergessen.
Wäre er wieder in der gleichen Situation, könnte er ihre Jungfräulichkeit so wenig beschützen wie beim ersten Mal. Janna bedeutete natürliche Anmut und feurige Wildheit; danach hatte er ein Leben lang gehungert, auch wenn ihm das nicht bewusst gewesen war. Janna hatte seine Sehnsucht gespürt und sich ihm bedingungslos hingegeben.
Er spürte die seidenen Fäden, die sie mit ihrer Unschuld und Großzügigkeit immer enger um ihn wob, bis er ganz gefangen war. „Hast du das absichtlich getan?“ fragte er ärgerlich.
„Was?“
„Alles zu geben und nichts zu verlangen. Dadurch hast du mich fester an dich gebunden als mit stählernen Handfesseln.“
Janna war, als hätte sie einen Schlag erhalten. Der kalte Regen, der ihr Unbehagen bereitet hatte, verwandelte sich in einen Verbündeten. Sie war zu müde, um aus eigener Kraft ihre Tränen und ihre Enttäuschung zu verbergen.
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