Wildes Lied der Liebe
zu und verließ die Hütte.
Bridget wartete, bis sie ihn auf dem Dach hörte. Er nagelte die Schindeln fest, die er aus Baumrinde zugeschnitten hatte. Obwohl sie es nicht über sich bringen konnte, Trace ihre Gefühle einzugestehen, war sie insgeheim froh, dass er da war. Ohne ihn hätte der Schlangenbiss sie mit Sicherheit getötet, und Skye und Noah würden nun allein dastehen.
Skye war eine tapfere und einfallsreiche junge Frau und hätte einen Weg gefunden, sich und ihren Neffen durchzubringen. Dennoch schauderte Bridget bei dem Gedanken. An einem Ort wie Primrose Creek waren die Möglichkeiten einer Frau begrenzt. Skye hätte entweder sofort einen Mann heiraten müssen, den sie nicht liebte, oder sie wäre gezwungen gewesen, ihre Gunst gegen Nahrung und eine Unterkunft einzutauschen. Die Unterschiede zwischen den Alternativen waren ohnehin gering. Doch dank Trace war es Skye nun möglich, heranzuwachsen und sich zu gegebener Zeit einen Ehemann auszusuchen.
Du drückst dich, schalt sich Bridget im Stillen. Mit zitternden Händen griff sie nach dem Umschlag und brach das Siegel.
Der Briefbogen wies ein geprägtes Wappen auf, unter dem das Datum zu lesen war - etwa sechs Monate war der Brief unterwegs gewesen - und der Name des Anwesens, das Megans und Christys Stiefvater gehörte: Fieldcrest.
Bridget schnitt ein Gesicht und schnippte kaum merklich gegen das Papier, ehe sie weiterlas.
Liebe Bridget,
ich richte diese Zeilen an dich, da ich davon ausgehe, dass du wie üblich das Regiment über die Menschen und Dinge in deiner Umwelt führst. Grüße bitte Skye von mir.
Heute Morgen erreichte uns die Nachricht von Großvaters Tod. Sein Anwalt schrieb uns, andernfalls hätten wir wohl nichts davon erfahren. Man sollte meinen, dass es angebracht gewesen wäre, wenn du uns von Großvaters Ableben geschrieben hättest. Doch so bist du nun einmal.
Laut Großvaters Anwalt erben Megan und ich die Hälfte eines Grundstücks namens Primrose Creek irgendwo im Westen. Die andere Hälfte geht an dich und Skye, ebenso wie das Anwesen in Virginia und all die Kostbarkeiten aus Großmutters Besitz.
Da weder Megan noch ich Verwendung für ein so abgelegenes und einsames Stück Land haben, tragen wir uns mit der Absicht, unseren Teil zu verkaufen. Wir teilten Großvaters Anwalt in Richmond unseren Wunsch mit, kamen jedoch nach langer Überlegung zu dem Entschluss, dass es richtig zu sein scheint, dir das Anwesen zuerst zum Kauf anzubieten, bevor wir uns an Fremde wenden. Selbstverständlich erwarten wir einen angemessenen Preis.
Bitte antworte uns, so bald du kannst. Megan und ich möchten die Angelegenheit rasch zu einem Abschluss bringen.
Herzlichst, Christina McQuarry
Bridget hätte den Brief zerknüllt und in die Ecke geworfen, wenn es nicht erst der zweite oder dritte Brief gewesen wäre, den sie in ihrem Leben erhalten hatte. In ihr tobte ein Sturm der Gefühle: Zorn über einige Dinge, die Christy geschrieben hatte, Trauer darüber, dass ihre einst so große Familie nun nur noch aus so wenigen Menschen bestand, und Angst, dass ihre Cousinen das Land auf der anderen Seite des Flusses an jemanden verkaufen würden, der dann vielleicht stromaufwärts einen Damm bauen, den Wald abholzen oder den Mutterboden abtragen würde, um nach Silber, Gold oder Kupfer zu schürfen ...
»Du hast einen Brief bekommen?«, erklang Skyes Stimme.
Bridget sah auf. Ihre Schwester stand an der Tür im Gegenlicht, sodass ihr Gesicht nicht zu erkennen war. »Ja«, antwortete Bridget niedergeschlagen und trank vorsichtig einen Schluck von dem Tee, den Trace gekocht hatte. »Wo ist Noah?«
»Er ist mit Trace auf dem Dach«, antwortete Skye und fügte schnell hinzu: »Mach dir keine Sorgen, Trace hat ihm ein Seil umgebunden, damit er nicht herunterfallen kann.«
Bridget rollte die Augen gen Himmel, beschloss jedoch, jetzt nicht darüber nachzudenken. »Er ist von Christy«, meinte sie und hielt Skye den Brief hin.
Sofort war Skye an ihrer Seite und nahm das Papier. »Heiliges Kanonenrohr!«, rief sie.
Bridget ermahnte sie nicht. »Sie und Megan wollen ihre Hälfte des Grundstücks verkaufen«, erklärte sie unnötigerweise, da Skye mittlerweile den Brief sicher schon zum zweiten Mal las. »Irgendwie müssen wir versuchen, den Kaufpreis aufzutreiben.«
Skye ließ sich auf die Kiste sinken, die links neben Bridget stand. Uber ihnen dröhnten die Hammerschläge, und Trace und Noah unterhielten sich angeregt. »Wie wollen wir das
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