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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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wenigstens einen Zettel hinlegen. »Ich muss Oscar finden«, schrieb ich mit großen Buchstaben auf ein kariertes Blatt aus meinem Matheheft. »Ich glaube, ich weiß, wo er ist. Mach dir keine Sorgen. Kuss, Clara.« Ich legte den Zettel auf mein Bett, wo meine Mutter ihn garantiert entdecken würde, wenn sie erst mal bemerkt hatte, dass ich weg war.
    Also, es war jetzt nicht so, dass ich mich mutiger fühlte als sonst. Aber Oscar war noch nie einfach verschwunden. Und ich war ganz sicher, dass die Polizisten ihn nicht finden würden, nicht mal dann, wenn sie suchten, bis sie schwarz waren. Es sei denn, einer von ihnen wäre eine Wildhexe …
    Ich schlich mich in die Diele, schnappte mir meine Jacke und die Schneehose vom Haken und drehte lautlos das Schnappschloss auf. Dann öffnete ich so leise wie möglich die Wohnungstür, zog sie genauso leise hinter mir zu und ging vorsichtig und ohne zu lärmen, Stufe für Stufe die Treppe hinunter. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nichts hörten, als ich ging.
    Ich setzte mich auf die unterste Stufe, zog mir die Daunenjacke an und die Schneehose über meine dünnen Leggings. Es war kälter geworden, und der Schneematsch gefror zu Eis. Eine glatte schwarze Eisschicht bedeckte die Steinplatten, und mein Atem verwandelte sich vor meinen Augen in Raureif. Ich lief den Häuserblock hinunter und überquerte die Saturngade, die am Stjernepark entlang verlief. Es herrschte kaum Verkehr, und es waren auch kaum Menschen unterwegs, von dem Straßenreiniger und seiner brummenden Kehrmaschine mal abgesehen.
    Ich öffnete das Tor zum Park.
    »Oscar?«, rief ich fragend. Aber so einfach war es natürlich nicht.
    Auf den Wegen und der Wiese funkelten Eiskristalle. Auch die Zweige der Büsche und Bäume glitzerten weiß im Licht der Straßenlaternen. Unter meinen Füßen knickten knirschend die Halme, und ich hinterließ dunkle Fußspuren auf meinem Weg über die Grünfläche.
    »Oscar!«
    Ich wusste ja, dass es sinnlos war. Hier war eine ganz andere Art der Suche nötig.
    Mitten im Park blieb ich stehen, so weit wie möglich von Straßen und umliegenden Häusern entfernt. Ich schloss die Augen und wartete, bis das ferne Rauschen des Verkehrs und das Brummen der Kehrmaschine gewissermaßen gleichgültig wurden und verschwanden.
    »Kater …«, flüsterte ich. »Du musst mir helfen.«
    Er tauchte fast auf der Stelle auf. Ich spürte plötzlich seinen warmen Körper an meinen Beinen und ein stummes Fragezeichen in meinem Kopf. Er wollte wissen, weshalb ich ihn gerufen hatte.
    »Ich kenne mich auf den wilden Wegen nicht aus«, sagte ich leise. »Aber du …«
    Es dauerte gerade mal zehn Minuten. Aber es waren zehn schreckliche, angsterfüllte, kalte und verwirrende Minuten. Meine Augen brannten. Ich hatte solche Angst, Kater aus den Augen zu verlieren, dass ich es nicht einmal wagte zu blinzeln.
    Er lief vor mir her, mit hoch erhobenem Schwanz und aufgestellten Nackenhaaren, und ich folgte ihm in das Nebelland der wilden Wege. Ich versuchte zu rufen, aber heraus kam nur ein klägliches Flüstern.
    »Oscar …«
    Kater drehte sich um und fauchte. Ich sollte still sein. Außer uns nutzten heute Nacht auch noch andere die wilden Wege.
    Dann endlich tauchten Bäume und grau bereiftes Gras aus dem Nebel auf. Ich hörte eine Eule rufen und fragte mich, ob das vielleicht Tu-Tu auf Mäusejagd war. Dann waren wir da, schneller, als ich sonst morgens mit dem Fahrrad zur Schule kam. Der kleine Bach, Felder, der Wald und das Haus, aus dessen Schornstein eine dünne Rauchfahne stieg … Ich seufzte erleichtert auf. Geschafft. Ich hatte es getan – oder besser gesagt: Kater hatte es getan. Streng genommen hatte ich ja nichts anderes gemacht, als ihm hinterherzulaufen.
    Stjerne wieherte verschlafen im Stall, aber ich marschierte direkt über den Hof. Im Haus brannte Licht, also war Tante Isa offenbar noch nicht ins Bett gegangen, obwohl es schon so spät war.
    Die Haustür war angelehnt. Manchmal fiel sie nicht richtig ins Schloss, wenn man sie zumachte, es brauchte noch einen kleinen Extraruck und ein kurzes Anheben. Bei mir hatte es auch ein paar Tage gedauert, bis ich »den Dreh« raushatte, wie Tante Isa es nannte. Ich drückte die Tür auf.
    »Tante Isa …«, rief ich leise.
    Erst in diesem Moment dämmerte mir, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Wo war Tumpe? Warum kam er nicht voller hundeseliger Willkommensfreude angaloppiert und versuchte, mich umzuschmeißen, damit er mein Gesicht besser

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