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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Kaaberbol
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er sich plötzlich zu Theis um und boxte ihm hart gegen den Brustkorb. »Ich hab dir gesagt, du darfst es niemandem erzählen …«
    »Au!« Theis schubste Oscar weg. »Hör auf. Was fällt dir ein, mich einfach zu schlagen.«
    Was weiter passierte, sah ich nicht mehr. Ich hörte ein paar durch die Winterjacken gedämpfte Schläge, ein Poltern und das scharrende Geräusch von Stiefeln auf Asphalt, also denke ich, sie haben sich geprügelt. Aber ich drehte mich nicht mehr um und blieb auch nicht stehen, als Oscar mir hinterherrief.
    »Clara! Warte! Ich kann das erklären …«
    Meine Beine waren steif, als wären sie aus Holz. Die Reißzwecken bohrten sich in meinen Magen und Hals. Ich hatte wirklich keine Lust, mir anzuhören, warum er in seiner Klasse rumerzählt hatte, dass Clara sich für eine Hexe hielt.

9  BÖSE TRÄUME

    Papa hat angerufen«, sagte Mama, als ich zu Hause durch die Wohnungstür trat. »Ich glaube, er ist ein bisschen traurig, weil du gestern Abend einfach verschwunden und nicht mehr zurückgekommen bist.«
    »Tut mir leid«, murmelte ich.
    »Was hast du gesagt?«
    »Tut mir leid!«, sagte ich ein bisschen lauter. Genau genommen ein bisschen zu laut. »Tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid … «
    »Clara-Maus! Was ist los mit dir?« Sie tauchte in der Tür zu ihrem Arbeitszimmer auf. »Das ist doch kein Grund, gleich auszuflippen.«
    Aber langsam war es nicht mehr auszuhalten, dass ständig irgendwer traurig war. Shanaia war traurig. Mama war traurig. Papa war traurig. Und ich hatte Krach mit Oscar. Und scheinbar war alles meine Schuld. Weil alle mich anders haben wollten, als ich in Wirklichkeit war, die einen lieber größer, die anderen kleiner. Shanaia und Oscar wollten mich größer haben, ein bisschen mehr wie Tante Isa, und Papa und Mama wäre es am liebsten, ich würde aufhören, mich so komisch und wildhexig zu benehmen, und wäre einfach wieder ihre kleine Clara-Maus.
    Aber ich konnte so nicht sein.
    Ich schaute Mama an, die immer noch in der Tür stand und auf Antwort wartete.
    »Mir geht’s nicht so gut«, sagte ich, was vollkommen der Wahrheit entsprach. »Vielleicht bekomme ich Fieber …«
    O nein. Das hätte ich besser nicht gesagt. Ich konnte richtig sehen, wie die Angst in ihren Augen wuchs. Es war gerade ein halbes Jahr her, dass ich todkrank gewesen war, weil ich die Katzenkratzkrankheit bekommen hatte. So krank, dass Mama mich zu Tante Isa brachte, obwohl sie die kompletten zwölf Jahre meines bisherigen Lebens versucht hatte, mich von ihrer großen Wildhexenschwester fernzuhalten.
    »Lass mal fühlen.« Sie legte mir die Hand auf die Stirn. »Sehr warm fühlst du dich aber nicht an«, sagte sie und sah erleichtert aus. »Tut dir irgendwas weh?«
    Nur mein gesamtes Innenleben. Aber das behielt ich für mich.
    »Mir ist einfach nicht gut«, sagte ich. »Ich glaube, ich lege mich jetzt hin.«
    Es war erst drei Uhr nachmittags, aber sie nickte.
    »Du hast heute Nacht nicht gerade viel geschlafen«, sagte sie. »Vielleicht ist es ja auch nur das.«
    Ich kroch mitsamt meinen Kleidern ins Bett und zog mir die Decke bis über die Ohren. Das graue Winterlicht, das durch das Fenster fiel, war so schwach, dass meine Sachen, meine Teddys und Bücher, mein Computer, der Micky-Maus-Wecker und die Schreibtischlampe nicht mehr als schwarze Umrisse waren. Ich machte die Augen zu.
    Ich weiß nicht, ob ich richtig eingeschlafen war, aber ich fing auf der Stelle an zu träumen. Zuerst einen wirklich seltsamen Traum, in dem Papa, Mama, Shanaia und Oscar gemeinsam mit unterschiedlichen Förmchen Pfefferkuchen ausstachen und sich darüber stritten, wie groß die Plätzchen werden sollten. Und dann einen etwas normaleren, aber viel, viel beängstigenderen Traum.
    Oscar ging mit Luffe Gassi, drüben im Stjernepark auf der anderen Seite des Jupitervejs. Sein möwenzerkratztes Gesicht war so angespannt, dass er fast traurig wirkte. So traurig, wie man eben aussehen kann, wenn man das hat, was meine Mutter mal das »ultimative Strahlemanngesicht« nannte. Plötzlich fing Luffe an, wie ein Wahnsinniger zu bellen. Wroff, wroff, wroff, hohe, wütende Hau-ab-Kläffer. Oscar drehte sich um, aber er konnte offenbar nichts entdecken, was zum Bellen Anlass gab. Dichter Schneefall hatte eingesetzt. Oscar zog die Kapuze seines Winterpullis über den Kopf und sagte Luffe, er solle still sein. Luffe hörte schlagartig auf zu bellen und blieb für einen Augenblick stocksteif stehen. Dann

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