Wildnis: Thriller - Band 3 der Trilogie
ohne sonst die geringste Regung zu zeigen. „Sie wollen sich zu der Festnahme äußern?“
„ Sie aufgeblasenes Strichmännchen, ja, ich will mich zu der Festnahme äußern!“ Die Polizistin hinter ihr rang darum, ein Grinsen zu unterdrücken. Anna sprang auf. „Erstens verlange ich, dass Sie uns mitteilen, aufgrund welcher absurden Indizien Sie Herrn Reber verhaften. Zweitens wollen wir einen Anwalt sprechen. Und drittens wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sich die Zähne putzen oder Abstand von uns halten.“
Die grinsende Polizistin prustete und drehte sich weg. Der Kommissar blieb gelassen. Nur seine Hand ballte sich zur Faust. „Ich fürchte, Sie werden noch mehr Zeit in meiner Anwesenheit verbringen müssen. Anna Herrera, ich nehme Sie ebenfalls vorläufig fest. Es besteht Verdunklungsgefahr im Fall Rainer Spoerl.“
„ Du Dreckskerl!“, schrie Anna, „Du wusstest die ganze Zeit, dass du uns am Ende verhaften würdest.“
Die Polizistin fuhr herum, bereit, Anna zu packen. Doch der Kommissar schüttelte kaum merklich den Kopf.
Jan und Anna wurden hinuntergebracht.
„ Lass dich von dem Strichmännchen nicht einschüchtern!“, rief ihm Anna zu, ehe sie in einen Streifenwagen gesetzt wurde, der mit Warnlicht in der zweiten Reihe parkte.
Jan wurde zum Wagen dahinter geleitet. Der Kommissar zwängte sich neben ihn auf den Rücksitz. Seine angewinkelten Beine erweckten das Bild einer Spinne. Sie fuhren los.
Der Kommissar seufzte. „Das Leben ist hart.“
Jan dachte, dass der Kommissar recht hatte – und Anna auch, mit dem Mundgeruch.
„ Ich kann Sie verstehen, Herr Reber. Ich hätte ebenso gehandelt ... wenn ich den Mumm dazu gehabt hätte.“
„ Sie hätten Rainer aus dem Bett gestoßen?“ Das konnte sich Jan nicht verkneifen, obwohl er sich vorgenommen hatte, kein Wort zu sagen.
Der Kommissar lachte heiser. „Sie sind ein sensibler, junger Mann. Mit einer ... hinreißenden Freundin. Und dann dieser Rainer, der sich an Ihre Freundin heranmacht. Vielleicht hat er sie belästigt? Ich kann mir gut vorstellen, dass sie von diesem Angeber gar nichts wollte. Aber er war auf Drogen. Amphetamine enthemmen. Und als Sie dazugekommen sind ...“
Das also war die Theorie der Polizei. Jan würde sie leicht widerlegen können. Und in jedem Fall würde Rainer sie entkräften, sobald er das Bewusstsein zurückerlangte.
Da Jan den offengelassenen Satz nicht aufgriff, fuhr der Kommissar fort: „In der Dienststelle wird man Sie vernehmen und alles, was Sie sagen, protokollieren. Wir sollten uns jetzt schnell überlegen, wie Sie den Tathergang schildern. Selbstverständlich müssen Sie die Wahrheit sagen, aber es besteht immer subjektiver Spielraum, vor allem bei Ihrer Wahrnehmung von Rainer und Ihren eigenen Gefühlen. Beides ist wichtig für das Strafmaß. Manchmal reicht es sogar, dass man sich angegriffen fühlt, um die Selbstverteidigung zu legitimieren.“
„ Woher wissen Sie das alles? Ich meine, nicht den Unsinn, dass ich bei dem Sturz dabei war. Das mit Anna und Rainer.“
„ Das darf ich Ihnen nicht sagen. Wir müssen unsere Informanten bei der Russenmafia schützen.“ Der Kommissar suchte den Augenkontakt mit Jan. Wahrscheinlich wollte er wissen, ob seine Anspielung angekommen war. Olga also. Wollte sie mit Anna eine Rechnung begleichen?
Der Streifenwagen vor ihnen bremste, sie hielten an einer Ampel. Jan fragte sich, wann er Anna das nächste Mal sehen würde. Ihre Aggressivität gegenüber dem Kommissar war kontraproduktiv, aber immer noch besser als diese unheimliche Apathie, in die sie zuvor verfallen war. Die erinnerte ihn daran, wie Anna im Chix-Tal erstarrt und weggetreten war – am krassesten, nachdem sie Greg gefoltert und nachdem der Rache genommen hatte.
Ärger auf den Kommissar stieg in Jan hoch. „Warum haben Sie uns nicht gleich verhaftet? Wozu das Katz-und-Maus-Spiel?“
„ Es wäre komfortabler gewesen, Sie wegen Drogenbesitzes festzunehmen.“
„ Das heißt, die Indizien für einen Mordversuch sind nicht belastbar.“
Der Kommissar lächelte. „Sehr feinsinnig, Sie gefallen mir.“
„ Kann es nicht auch ein Unfall gewesen sein?“
„ Ich werde Ihnen etwas verraten, das Sie nachher bei der Vernehmung nicht erwähnen dürfen. Versprechen Sie mir das?“
„ Ja.“
Die Ampel schaltete auf grün, die Autos fuhren an.
„ Die Ärzte haben eine Prellung der Augen festgestellt, die sich Rainer nicht bei dem Aufschlag zugezogen haben kann. Die Verletzung ist
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