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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Parker
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gewusst, dass sie in dieser Frage passen würde. „Links und bergauf“, sagte er. „Bergauf ist Norden. Wenn du nach Norden siehst, ist Westen links von dir.“
    „Warum sagst du dann nicht rechts und links?“
    „Weil rechts und links relativ ist, je nachdem, welchen Standort du hast, Norden und Süden aber nicht.“
    „Gehen wir“, sagte sie ungeduldig.
    „Ja, aber lass mich vorangehen. Du verlierst zu schnell die Orientierung.“
    Sie verließen die kleine Lichtung. Es ist, als ob man einen Zufluchtsort verliert, dachte er. Wir waren hier nicht sicherer als anderswo, aber weil wir acht Stunden hier verbracht haben, ist die Lichtung uns vertraut und gibt uns ein Gefühl der Geborgenheit. Erstaunlich, wie rasch der Mensch sich auf eine Situation einstellt. Auch Sicherheit ist relativ.
    Es war jetzt heller Tag. Er ging langsam vor Janet her, jeden Schritt mit Bedacht setzend, den von Brombeerund Kiefernwurzeln durchzogenen Weg ertastend. Häufig hielt er an und lauschte. Beim zweiten Halt deutete er auf ein Himbeergebüsch vor ihnen. Sie aßen alle Beeren, die reif waren.
    „Brombeeren?“, fragte sie leise.
    „Schwarze Himbeeren, würde ich sagen. Brombeerbüsche sind größer und die Beeren sind nicht so länglich.“
    „Woher weißt du bloß, wie groß Himbeerbüsche sind?“
    Er zuckte mit den Achseln. „Hab’ ich mal irgendwo gelesen.“
    „Von mir aus können wir wieder“ sagte Janet.
    Sie setzten sich wieder in Bewegung, leicht westlich und immer bergauf gehend. Anhalten, dann wieder sehr langsam einen vorsichtigen Schritt wagen. Newman hielt den Karabiner in seiner rechten Hand. Er hatte den Finger am Abzugbügel, nicht am Abzug, der Karabinerlauf zeigte nach unten. Es war eine leichte Waffe, geladen wog sie nur knappe sechs Pfund und passte bequem in eine Hand. Notfalls konnte er sogar einhändig schießen.
    Der Wald war schön. Weiße und graue Birken, Weißkiefern, Eichen, dichte Gruppen von Nachwuchs, ein Gewirr von Ranken und Unterholz. Die höher steigende Sonne, die durch das Blätterdach fiel, zeichnete Muster aus Licht und Schatten. Sie waren hier sehr weit nördlich, und obgleich es erst Anfang September war, fing das Sumachlaub schon an, sich zu färben. Er konnte nicht mehr weit sehen. Das Sichern und Lauschen war eine körperliche Anstrengung, er spürte, wie sich durch die Konzentration seine Nacken und Schultermuskeln verspannten.
    Je wärmer es wurde, desto aktiver wurden die Insekten, und Newman blieb stehen, um sich und Janet mit Insektenmittel einzureiben. Das nervende Gesumme blieb ihnen auch jetzt nicht erspart, aber die Biester stachen wenigstens nicht mehr. Vögel flogen in den Bäumen und Büschen hin und her und sangen. Auch Eichhörnchen sahen sie. Newman fand sie hier im tiefenWald seltsam fehl am Platz. Für ihn gehörten sie in Parks und Vorgärten. Jetzt fehlten nur noch die Tauben, dachte Newman, und dann wundert es mich auch nicht mehr, wenn demnächst eine Bank auftaucht, auf der ein Penner liegt.
    Nach einer Stunde kamen sie an den Wanderweg, der hier leicht vertieft war. An manchen Stellen kam das blanke Erdreich zum Vorschein. Er hob die rechte Hand. Janet blieb stehen.
    „Ist es derselbe Weg?“, flüsterte sie.
    „Sicher“, flüsterte er zurück. „Wie viele Wanderwege gibt’s hier wohl?“
    „In welcher Richtung liegt das Lager?“
    „Weiß ich nicht genau. Ich könnte jetzt nicht sagen, ob wir oberhalb oder unterhalb des Camps sind. Aber vermutlich unterhalb. Sonst hätten wir den Bach gekreuzt.“
    „Bestimmt?“
    „Beschwören kann ich’s nicht. Aber es ist logisch. Der Bach floss nach Südwesten. Wir sind nach Nordwesten gegangen. Wenn wir oberhalb des Lagers wären, hätten wir den Bach kreuzen müssen.“
    „Das ist mir immer noch nicht klar.“
    „Das musst du mir schon glauben. Ich hab keine Zeit, es dir aufzuzeichnen, wenn du’s dir nicht vorstellen kannst.“
    Sie schwieg.
    „Sicher, so ein Wasserlauf geht manchmal seltsame Wege, er richtet sich nach dem Gelände“, sagte er, aber es war im Grunde nur lautes Denken. Das machte er oft – er sprach mit Janet, um sich denken zu hören. „Aber wir müssen uns einfach an das halten, was am naheliegendsten, am logischsten ist.“
    Er deutete mit einer entschiedenen Bewegung bergauf.
    „Ich begreife es immer noch nicht …“ Er sah sie an, und sie unterbrach sich und nickte. Dann sahen sie zusammen den Weg hinauf.
    „Wir können nicht auf dem Weg bleiben.“
    „Ich weiß. Wir

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