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Wildnis

Wildnis

Titel: Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Parker
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müssen in den Wald, halten uns aber parallel zum Weg, gehen ein Stück, wechseln auf die andere Seite, gehen wieder ein Stück und so weiter. Wenn wir es so machen, können wir den Weg nicht verlieren.“
    „Was sie wohl jetzt machen?“ überlegte Janet.
    „Ich an ihrer Stelle würde mich in der Nähe des Lagers verstecken und warten, bis wir zurückkommen. Aber das besagt noch gar nichts. Sie sind es gewöhnt, Leute zu schikanieren, für sie ist es normal, dass alle Angst vor ihnen haben. Vielleicht denken sie, dass wir abgehauen sind. Kann natürlich auch sein, dass sie stinkwütend sind und die Verfolgung schon aufgenommen haben.“
    „Du glaubst also, dass sie irgendwo im Wald sind und nach uns suchen?“
    „Das bestimmt. Entweder haben sie sich auf die Lauer gelegt, oder sie sind schon auf der Pirsch.“
    „Wäre es nicht wichtig zu wissen, wofür sie sich entschieden haben?“
    „Das können wir nicht wissen.“
    „Hast du keine Vermutung?“
    „Nein. Wir müssen uns auf beide Möglichkeiten einstellen.“
    „Find ich nicht so gut“, sagte sie.
    „Ich auch nicht, aber da kann man nichts machen.“
    „Dann komm. Je früher wir sie finden, desto eher haben wir es hinter uns.“
    Sie gingen etwa zwanzig Meter rechts vom Weg bergauf, angespannt horchend, angestrengt beobachtend. Es ging ein leichter Wind. Das war nicht unangenehm, aber er bewegte die Zweige, als sei jemand zwischen den Bäumen und es raschelte in den Blättern, als käme jemand. Sie setzten die Schritte noch vorsichtiger, horchten auf Vogelgezwitscher und Insektengesumm, auf die Laute der Bäume und das Geräusch ihrer Schritte.
    Diese Waldlaute waren immer da, verstummten nie ganz, und das war eine der großen Überraschungen dieser Tage für Newman. Völlig ruhig war es nie. Der schweigende Wald … Das hatte er wohl von Fotos und Gemälden. In Wirklichkeit herrschte im Wald immer Leben. Vögel, Frösche, Zikaden, Eichhörnchen und andere, ihm ganz und gar unbekannte Geschöpfe,zirpten und schwatzten und klagten und summten und grunzten und raschelten Tag und Nacht darin. Er horchte auf menschliche Laute.
    Sie brauchten eine Stunde für eine Meile. Newman hatte eine rote Schramme im Gesicht, die am linken Augenwinkel begann und sich über seine Wange zog, Janets Lippe war von einem Insektenstich angeschwollen. Newmans Magen knurrte und grummelte, es war fast, als habe er auf die Handvoll Himbeeren zu heftig reagiert und verdaute jetzt mehr, als er bekommen hatte.
    Sie wandten sich nach links und kreuzten den Weg, der nur drei Meter entfernt war.
    „Verdammt, das ist gerade noch einmal gut ausgegangen. Wir sind zu nah dran“, sagte Newman. „Wir hätten ihnen direkt in die Arme laufen können.“
    Auf der anderen Seite hielten sie fünfzehn Meter Abstand zum Wanderweg. „Wir sollten nicht so dicht hintereinander laufen“, sagte er. „Wenn sie kommen, können sie uns beide auf einen Streich erledigen.“
    „Aber ohne dich verirre ich mich“, wandte Janet ein.
    Er sah zurück. „Bleib so weit wie möglich hinter mir, aber halte Sichtkontakt. Wenn sie mich erwischen, kannst du noch was tun. Du hast mich schon mal rausge hauen.“
    „Na gut, aber wenn ich so pfeife, wie Chris es uns beigebracht hat …“, sie pfiff leise durch die Zähne,„wartest du, und wenn du mich nicht siehst, kommst du zurück, ja?“
    Er nickte. „Wenn du nicht mehr weiter weißt, bleib, wo du bist. Ich finde dich schon. Sonst laufen wir nur aneinander vorbei.“
    Sie wandte sich um. „Sie könnten natürlich auch von hinten kommen.“
    „Ja, du bist hinter mir auch nicht sicherer. Wir geben uns Feuerschutz. Wenn ich dich brauche, pfeife ich.“ Er lächelte ihr zu. „Weißt du noch, wie du pfeifen musst?“
    „Einfach die Lippen einziehen und blasen“, sagte sie lächelnd. Das war ein alter Witz aus einem ihrer Lieblingsfilme, der die seltsame Situation zu entspannen schien.

26
    Sie fanden Karls Camp am frühen Nachmittag. Newman sah das orangefarbene Zelt durch die Bäume. Er hob die Hand. Janet, die fünf Meter hinter ihm ging, blieb stehen. Ihr Haar war schweißnass und klebte ihr am Kopf, ihr Gesicht war zerkratzt. Newman winkte. Sie hatte den Revolver in der Hand. Er legte einen Finger an die Lippen, dann deutete er auf das Zelt. Sie nickte. Er spürte einen ziehenden Schwindel im Bauch. Seine Beine waren zittrig. Er sah in ihr zerkratztes, verschwitztesGesicht ohne Make up. Ein starkes Gesicht ohne Angst. Er kannte es schon so lange, dass

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