Wildrosengeheimnisse
Nähmaschine sitzend, es eilig hat, das Telefon aus der Hand zu legen.
Am Nachmittag bereite ich gerade einige Teekuchen für das Café vor, als Nini frustriert und schlecht gelaunt aus der Schule kommt.
»Was ist denn los, Süße?«, frage ich sie und gieße ihr schon einmal eine Cola ein.
»Ach, Mami …«, seufzt sie, »… die Englischlehrerin ist ja soo doof. Und ungerecht. Gibt mir ’ne Vier im Mündlichen und tut so, als könnte ich kein Englisch, dabei hab ich in London gelebt. Wie soll ich da nur ein gutes Abi schaffen?«
»Mach dir mal keine Sorgen«, tröste ich sie. »Das schaffst du schon. Es ist völlig normal, dass du aufgeregt bist. Aber mach dich nicht verrückt. Was brauchst du denn für einen Schnitt für die Uni Konstanz?«
»Ähhhh …, Mami …, darüber wollte ich mal in Ruhe mit dir reden.«
An der Tatsache, dass sie mir nicht in die Augen sehen kann, erkenne ich, dass ihr etwas auf der Seele brennt.
»Was ist denn, Süße?«
»Also …, die Sache ist die …«
So richtig mit der Sprache herausrücken will Nini offenbar nicht, denn jetzt versucht sie abzulenken, indem sie mit dem Finger aus der Teigschüssel nascht.
»Was würdest du davon halten, wenn ich gar nicht an die Konstanzer Uni gehen würde?«
So etwas Ähnliches hatte ich schon bei ihren ersten Worten vermutet.
»Sondern nach Mannheim? Zu Ben?«, frage ich daher.
»Woher weißt du …?«
Dazu gehören nun wirklich keine hellseherischen Fähigkeiten.
»Hättest du nichts dagegen?« Endlich kann Nini mich dabei anblicken.
»Natürlich nicht, Nini. Ich verstehe dich ja. Ich möchte nur …«, und dabei sehe ich ihr fest in die Augen, »… dass du es dir gut überlegst. Wenn es dein Wunsch ist und dir die Uni in Mannheim gefällt, dann spricht doch überhaupt nichts dagegen. Im Gegenteil, dann hättest du sogar den Vorteil, dass du dort nicht allein wärst«, versuche ich, ihr zu raten. »Aber bedenke bitte: Wenn du nur Ben zuliebe nach Mannheim gehst und die Beziehung vielleicht irgendwann in die Brüche geht …«
Bei diesen Worten schaut Nini mich erschrocken an, so dass ich gleich hinzufüge: »… wovon wir jetzt mal nicht ausgehen, aber man weiß ja nie. Dann würdest du dir selbst und auch ihm vielleicht einen Vorwurf machen. Mein Vorschlag: Fahr demnächst mal hin und schau dir die Uni dort in Ruhe an. Dann kannst du immer noch entscheiden.«
»Ach, Mami, du bist die Allerbeste.« Nini steht auf und drückt mich herzlich an sich.
Wie lange sie dieses Vorhaben wohl schon mit sich herumgetragen hat?
»Wenn du wüsstest, was für ein Stein mir jetzt vom Herzen fällt. Ich dachte, du würdest ganz anders reagieren. Weißt du, ich will dich nicht allein lassen, mit der ganzen Arbeit im Café und überhaupt.«
»Hör zu, Nini, das braucht dich doch nicht davon abzuhalten, deinen Weg zu gehen.«
Ich bin ganz gerührt, dass sie sich Sorgen um mich macht. »Ich schaffe das schon. Den Sommer über bist du noch hier und kannst mir nach dem Abi helfen, wenn die Saison beginnt. Danach kommt die ruhige Zeit am See, wenn die Urlauber wieder weg sind. Sollte mir die Arbeit zu viel werden, kann ich jemanden einstellen. Denn das bedeutet auch mehr Umsatz. Und es gibt Emily, die mir ganz bestimmt gern aushelfen wird. Außerdem bin ich nicht ganz allein.« Unter dem Tisch kraule ich die kleine Jojo an ihren samtweichen Ohren.
»Christian wird bestimmt auch ganz oft hier sein, so oft er kann jedenfalls.«
Statt einer Antwort zieht Nini nur zweifelnd eine Augenbraue hoch und nickt bedächtig.
»Ich werde an den Wochenenden kommen, so oft es geht, Mami. Schließlich ist Mannheim nicht aus der Welt.«
»Genau. Wir haben auch London überstanden.«
»Apropos London. Ich hätte da so eine Idee für unser Café«, sagt Nini lächelnd. Ich glaube, sie ist glücklich, dass sie das Thema wechseln kann.
»Als ich bei Tante Carol war, sind ein paar Klassenkameraden und ich nach der Schule gern in ein kleines Café gegangen. Es hieß ›The Cupcake Boutique‹ und es gab dort lauter süße kleine Kuchen. Von der Größe her so ähnlich wie Muffins, aber mit einem so genannten Topping, einem Belag aus Sahne oder Creme und einer Dekoration oben drauf. In verschiedenen Geschmacksrichtungen, Himbeer oder alle anderen möglichen Obstsorten, Schoko, Vanille, Karamell, Nuss und, und, und. Die waren sooo lecker, das glaubst du nicht«, schwärmt Nini.
»Und was das Tollste ist: Die sind so schön klein, nicht wie ein riesiges
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