Wildrosengeheimnisse
›Butterblume‹ gehängt. Während sie fleißig für ihr Abi lernt, versorgt sie mich mit warmem Tee, heißer Zitrone sowie allerhand Hustensaft und Nasenspray. Es hat mich übel erwischt und jede Nacht wache ich von meinen Fieberträumen auf. Christian meldet sich täglich und erkundigt sich besorgt nach meinem Befinden, doch meine Stimme glänzt durch Abwesenheit. Wenn ich etwas herausbekomme, dann hört sie sich so an wie die von Rod Stewart nach einer Flasche Bourbon und einer Schachtel Rothändle ohne Filter.
Nach fast einer Woche bin ich immer noch nicht richtig auf den Beinen, so dass ich tatsächlich zum Arzt gehe.
»Sie haben eine handfeste Bronchitis«, verkündet mir dieser und verordnet außer einem Antibiotikum absolut strikte Bettruhe.
Am Abend bin ich total deprimiert. Ich fühle mich schrecklich, kann das Café nicht öffnen und die Rechnungen stapeln sich. Christian kann schon wieder nicht kommen und ich frage mich, wo der Sinn liegt in dieser Beziehung. Dennoch versuche ich, mir nichts anmerken zu lassen, denn Nini hat Besuch von Ben.
Sie hat die ganze Woche viel gelernt und ich weiß, dass die beiden gern ausgehen würden.
»Kann ich dich auch wirklich alleine lassen, Mami?«, fragt sie zum ungefähr zehnten Mal.
»Klar doch.« Ich versuche, so unbekümmert wie möglich zu klingen. »Ich werfe die Glotze an und mache es mir auf dem Sofa gemütlich.«
Ihre Fürsorge rührt mich, doch die beiden sollen auch einmal einen schönen Abend zusammen haben.
»Aber wenn was ist, dann rufst du mich an, ja? Ich hab das Handy dabei«, ruft sie mir zu, als sie gehen. Ich zünde ein paar Kerzen an und kuschele mich unter die warme Decke. So langsam wird mir das Nichtstun langweilig. Das ist doch ein sicheres Zeichen, dass es mit meiner Gesundheit wieder bergauf geht. Lustlos zappe ich im Fernsehen herum, bis ich an einem Krimi hängenbleibe, der in Schottland spielt. Auch hier ist eine junge Frau verschwunden und mir fällt augenblicklich die schöne Isabella ein. Ob sie wohl wieder aufgetaucht ist?
Wenn ihr Mann wirklich so ein Tyrann ist, wäre es besser, sie käme nicht zurück.
Vielleicht kann sie gar nicht zurückkommen, so wie die Frau aus dem Film, deren Leiche gerade aus einem schottischen See gefischt wird. Brrrr, was ist, wenn sie tatsächlich untreu war und ihr Mann sie im Bodensee versenkt hat? Oh Gott, daran darf ich gar nicht denken.
Schnell stehe ich auf und schließe die Rollläden. Doch was ist denn das? Beim letzten Fenster halte ich inne. Da ist doch jemand. In meinem Garten. Eine dunkle Gestalt huscht zwischen den Bäumen umher und schaut sich immer wieder vorsichtig um. Sie scheint nicht allzu groß zu sein, dafür sehr kräftig. Doch ich kann leider nicht viel erkennen, denn der Nebel ist heute Abend so dicht, dass man kaum etwas sehen kann. Da, ich glaube, er schaut zu meinem Fenster.
Schnell lösche ich alle Lichter und puste die Kerzen aus. Jetzt ist es auch drinnen stockduster. Mein Blick fällt auf Jojo, die gemütlich auf der Felldecke schnarcht. Schöner Wachhund. Aber wenigstens bin ich nicht allein.
Die dunkle Gestalt bewegt sich jetzt Richtung Einfahrt, wie ich aus dem Badezimmerfenster erkennen kann. Da klingelt mein Telefon. Verflixt, ausgerechnet jetzt.
»Hallo«, flüstere ich leise ins Telefon.
»Schatz, deine Stimme hört sich noch gar nicht gut an.« Es ist Christian, der hören will, wie es mir geht.
»Es ist jemand im Garten«, raune ich wieder.
»Was? Ich verstehe dich so schlecht. Kannst du nicht ein bisschen lauter sprechen?«
Christian ist offensichtlich in einem Restaurant, denn ich höre Musik und Gläserklirren im Hintergrund.
»Christian, im Garten ist jemand. Ein Mann«, wiederhole ich aufgeregt ein wenig lauter, so laut jedenfalls, wie es meine Stimme zulässt.
»Süße, ich vermute mal, du hast wieder Fieber. Leg dich am besten sofort wieder hin. Ist Nini da?«, beschwichtigt er mich.
»Nein, wirklich, Christian. Da ist jemand. Ich bin doch nicht blind.«
Doch als ich auf die Stelle blicke, an der ich die Person zuletzt gesehen habe, ist niemand mehr zu erkennen. Nur Nebel. Ich gehe zum anderen Fenster, doch auch im hinteren Teil des Gartens ist vor lauter grauer Nebelsuppe nichts zu erspähen.
Trotzdem habe ich Angst.
»Ich rufe dich in einer Minute zurück, ja?«, beende ich das Gespräch, schnappe meinen Anorak und das Handy und gehe vorsichtig auf Zehenspitzen die Treppe zum Café hinunter. Doch auch von hier aus kann ich niemanden
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