Wildrosengeheimnisse
Furcht und Kälte.
»Na endlich. Wo warst du so lange?«, zicke ich ihn an.
Ich vermute mal, dass meine Stimme ziemlich verärgert klingt, denn Christian sieht mich zerknirscht an und antwortet: »Entschuldige, Schatz, aber da war so unglaublich viel los an dem Stand.«
Ja, genau, und dann musstest du auch noch in Ruhe telefonieren, füge ich in Gedanken hinzu. Auch der Glühwein kann mich nicht mehr aufwärmen und meine Stimmung ist nach dieser Hexen-Sache ohnehin im Keller.
Wie es den Anschein hat, bringt Christian kein Verständnis für meine Angst auf, denn als ich ihm die ganze Geschichte erzähle, lacht er mich nur aus und behauptet, das sei doch nur ein Fasnachts-Spaß gewesen und ich sähe einfach zu viele Krimis.
Wir schauen noch ein wenig dem bunten Treiben auf der Straße zu, aber weil mir schrecklich kalt ist, kann ich Christian nach dem Umzug überreden, mit mir nach Hause zu gehen. Doch selbst das warme Kaminfeuer und Christians Liebe und Zärtlichkeit können mich an diesem Abend nicht mehr richtig erwärmen. In der Nacht träume ich von einer schrecklichen, riesengroßen Hexe, die mich fest umklammert und am Hals würgt. Der Traum ist derart realistisch, dass ich voller Angst schweißgebadet aufwache. Mein Hals schmerzt entsetzlich und meine Glieder fühlen sich an, als hätte ich einen fürchterlichen Muskelkater.
Zitternd stehe ich auf, ziehe meine warme Strickjacke über und mache mir in der Küche eine warme Milch mit Honig.
Was ist nur mit mir los? Warum hat mir diese Fasnachtsfigur so viel Bange gemacht, dass ich derart schrecklich von ihr träume? Nach der warmen Milch fühle ich mich ein kleines bisschen besser. Müde kehre ich zurück in mein warmes Bett und kuschele mich in Christians Arm.
Doch auch am nächsten Morgen fühle ich mich schlecht. Mein Hals und meine Glieder schmerzen wie verrückt und am liebsten würde ich im Bett bleiben.
Doch da ich weiß, dass ich das Café öffnen muss, stehe ich notgedrungen auf.
Zum Glück ist durch das Fasnachtstreiben in der Stadt auch heute viel los und da das Wetter grau und neblig ist, verirren sich nicht sehr viele Spaziergänger in diese stille Ecke vom See. Dadurch ist es in der ›Butterblume‹ sehr ruhig und Christian und ich haben viel Zeit, um entspannt Tee zu trinken und uns zu unterhalten. Dieser gemütliche Sonntag tut unserer Beziehung wieder einmal richtig gut und ich verdränge den Gedanken an den bevorstehenden Abschied, so gut es eben geht.
Am Nachmittag macht sich Christian dann nützlich, kramt im Keller herum und spaltet Holz im Garten, während ich die wenigen Gäste mit Kaffee und Kuchen versorge.
Doch dann ist es auf einmal vorbei mit der Ruhe, denn die fünf BBP (Bauch-Beine-Po-Gymnastik)-Ladys kommen, lautstark tratschend, zur Tür herein und bringen allerhand Neuigkeiten mit.
»Also des isch ja seltsam«, höre ich eine von ihnen, Irene Dörfler, die heute zur Feier des Tages mit einem erdbeerroten Filzhut geschmückt ist, sagen. »Wann soll die verschwunden sein? Am Valentinstag?«
»Wer isch verschwunde? Des hab ich jetzt auch nicht mitgekriegt«, hakt Frau Monika Besser nach, während sie ihren weißen Webpelz-Swingermantel an die Garderobe hängt.
Natürlich ist Veronika Möhrle wieder diejenige, die am besten informiert ist. Sie trägt heute aufgrund der Kälte ihren echten Nerz spazieren und hat gleich zwei Perlenketten auf ihrem mächtigen Busen dekoriert.
»Isabella Grothe. Die vom Campingplatz«, tönt sie triumphierend.
Da die meisten anderen, mich eingeschlossen, keine Ahnung haben, wer das ist, klärt sie uns alle auf.
»Des isch doch die hübsche Schwarzhaarige, welche bis zum letschte Herbscht im Kirchechor gsunge hot. Also, Mädels, die kennt ihr doch, ihr Mann isch doch der Pächter vom Campingplatz.«
»Aja, die. Ja, klar kenn ich die«, meint die Kleine mit den roten Locken, deren Namen ich mir partout nicht merken kann.
»Wir waren im letzten Sommer ein paar Mal auf dem Platz und haben Salat gegessen, weil man dort so schön am Wasser sitze kann. Einige Male hab ich diese Isabella kurz g’sehe, aber immer nur gaaanz kurz, wie sie mit dem Salat aus der Küche gehuscht kam. Ihr Mann isch irgendwie en ganz Komischer, find ich jedenfalls, der hat so was Grobes an sich. Der hat sie auch ein paarmal fescht ang’meckert, weil’s ihm angeblich nicht schnell genug ging.«
»Das hab ich auch schon oft g’hört, dass des ein gaanz unfreundlicher G’selle sein soll«, ereifert sich jetzt
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