Wildrosengeheimnisse
Frau Möhrle. »Wie man so hört, soll er sogar ziemlich brutal sein. Angeblich soll er auch gar nicht gut zu seinem Schäferhund sein. Auf dem Campingplatz spielt er sich auf wie das Herrgöttle, bloß weil er da im Sommer ein paar Plätze verteilen darf. Und die arme Frau muss kochen und putzen und wird rumschikaniert. Man sagt sogar …«, und jetzt wird die Stimme von Frau Möhrle ganz leise, »dass er sie g’schlage haben soll. Hat sie in letzter Zeit nicht öfter mal ein blaues Auge g’habt? Also, soviel ich weiß, kriegt man das garantiert nicht vom Putzen.«
Komisch, mir fällt gerade das Paar vom Zebrastreifen ein. Der Mann wirkte auf mich brutal und die Frau war eine ganz zarte, hübsche Frau mit dunklem Haar.
»Aaah, und jetzt isch se fort, die Isabella?«, fragt Frau Besser neugierig.
»Ja, angeblich seit dem Valentinstag«, weiß Frau Möhrle aus offenbar gut unterrichteten Kreisen zu berichten.
»Seltsam«, schaltet sich da wieder die kleine Rothaarige ein, »ih glaub, ih hab’ die am Valentinstag noch g’sehn.«
Ich auch, füge ich in Gedanken hinzu. Wenn das die Isabella war, die ich gesehen habe. Der Valentinstag war doch der Samstag, an dem ich auf dem Markt war und mir anschließend das Paar am Zebrastreifen auffiel. Der Tag, an dem abends Christian kam.
»Ich weiß das deswegen, weil ich am Valentinstag in der Stadt war, um einen Tisch für den Hubert und mich in der Krone zu reservieren. Und dann hab ich noch einen Kaffee im Café Aran getrunken. Des war am Nachmittag, und da hab ich diese Isabella g’sehn. Wie immer hat sie hübsch ausg’sehn und isch ganz hinten in der Ecke g’sessen. Aber nicht mit ihrem Mann«, fügt sie geheimnisvoll hinzu, »sondern mit einem äußerst gut aussehenden anderen Mann. Die beiden schienen recht vertraut, wenn ihr mich fragt. Die haben sich umg’schaut, als ob sie Angscht hätten, dass sie einer bemerken könnt’. Des war schon auffällig.«
»Meinsch du, sie hat einen Liebhaber und isch vielleicht mit dem durchgebrannt?«, fragt Frau Möhrle, offensichtlich ein wenig angesäuert, dass mal jemand etwas vor ihr weiß.
»Ich mein’ ja bloß, … isch doch komisch, dass sie auf einmal verschwunde sein soll. An dem Tag, an dem ich sie mit einem anderen Mann g’sehe hab.«
Auf einmal meldet sich die ruhigste der Runde, die große, schlanke, sportliche Ruth Müller zu Wort. Ihr blondes, kurzes Haar ist flott geföhnt und ihr freundliches Gesicht weist kaum Falten auf, obwohl sie, wie sie hin und wieder scherzhaft bemerkt, die Älteste der Runde ist. Jedenfalls scheint sie sehr in sich selbst zu ruhen und wirkt ausgeglichen und fröhlich auf mich. Ob das daran liegt, dass sie keinen Mann hat, während die anderen sich ständig darüber mokieren, was sich ihre Herzallerliebsten zu Hause wieder einmal geleistet haben?
»Ich kenne die Isabella auch, aber ich wusste gar nicht, dass sie mit diesem Campingplatz-Fuzzi verheiratet ist. Ich habe immer vermutet, sie arbeitet nur dort und erträgt eben den blöden Chef, weil sie sonst keine Arbeit findet. Aber wie auch immer, ich dachte jedenfalls, sie hat einen gaaaaanz anderen Mann.« Ruth Müller macht eine bedeutungsvolle Pause.
»So einen hübschen Blonden. Ein großer, nordischer Typ. Zumindest habe ich sie im letzten Sommer mit so einem Mann gesehen. Die beiden sind in einem Kanu am Strandbad in Nußdorf vorbeigerudert. Und wirkten sooo verliebt. Das war vielleicht eine Knutscherei, ich kann euch sagen: beneidenswert. Also, das war ganz sicher nicht diese Dumpfbacke vom Campingplatz.«
»Wahrscheinlich der Mann aus dem Aran? Dann muss das ihr Liebhaber sein.«
Jetzt sind die Damen auf einmal ganz aufgeregt. Endlich ist mal etwas los. Ich sehe ihnen an, dass sie allesamt hoffen, sie könnten mit ihrem Wissen zur Aufklärung des Verschwindens der hübschen Isabella beitragen.
»Nein, der war nicht blond«, antwortet jedoch die kleine Rothaarige namens Jutta, wie ich inzwischen mitbekommen habe.
»Der sah ganz anders aus. Groß und dunkelhaarig, mit grauen Schläfen.« Auf einmal fällt ihr Blick aus dem Fenster auf den Holz hackenden Christian. »Mehr so wie der da draußen.« Sie starrt ihn regelrecht an. »Also, ich glaub sogar, das war der.«
Vor Schreck fällt mir der Löffel, den ich gerade in der Hand halte, herunter.
Das kann ja wohl nicht sein. Bestimmt hat sie sich nur verguckt.
»Doch, doch, ich glaub’, des isch der Mann aus dem Aran, der hat bloß etwas anderes angehabt. Was
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