Wildrosengeheimnisse

vor. Erscht verschwindet diese junge Frau ausgerechnet an dem Tag, als ich sie mit dem anderen Mann gesehen hab, dann isch genau der auf einmal hier im Garten. Und jetzt wird auch noch eingebrochen. Also, wenn ihr mich fragt, da stimmt was nicht. Aber ganz und gar nicht.«
    Die anderen machen betretene Gesichter und mustern mich unauffällig.
    Keine Ahnung, ob sie mich bemitleiden oder glauben, ich hätte vielleicht etwas mit den Vorgängen zu tun. Na super. Meine besten Kunden halten mich also möglicherweise für den Mitwisser eines Verbrechens. Zum Glück habe ich meine Familie, die mich unterstützt, so gut es geht. Meine Mutter und Steve sind ehrlich bestürzt.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass hier so etwas passiert«, sagt Steve in seinem unnachahmlichen amerikanischen Akzent. »In Detroit ja. Da passiert so etwas jeden Tag. Auch jeden Tag ein Mord. Aber hier?« Steve schüttelt den Kopf. »Das gibt es doch nicht.«
    Vorsichtshalber verschweige ich den beiden das Verschwinden der jungen Isabella, das ebenfalls noch nicht aufgeklärt ist. Sie machen sich auch so schon Sorgen genug. Dabei sollen sie sich doch auf ihre Hochzeit freuen und sonst gar nichts. Der Einzige, der sich wieder einmal nicht um mich kümmert, ist Christian. Seit seinem letzten Kurzbesuch hat er sich nur kurz gemeldet und von viel Arbeit gesprochen. Als ob ich nur Däumchen drehen würde. Obwohl mein Freund versprochen hat, bei der Hochzeit dabei zu sein, höre ich in den Tagen davor überhaupt nichts von ihm, ich weiß nicht einmal genau, wann er kommt. Vermutlich wird er wieder einfach vor der Tür stehen, so wie immer. Ein bisschen nervt mich das schon. Zum einen würde es mir nach dem Einbruch so viel besser gehen, wenn ich ihn zumindest mental an meiner Seite wüsste. Zum anderen würde es natürlich auch die Hochzeitsplanung enorm erleichtern, wenn Christian ein paar Tage vorher hier wäre. Zumal ich gehofft hatte, dass er die Braut in die Kirche führen wird. Aber nicht einmal bei der Probe in der Kirche auf der Insel Mainau ist er dabei, so dass diesen Job Laura Anns Ehemann George übernimmt. Als wir das letzte Mal telefonierten, erzählte mir Christian, dass seine Exfrau Daniela anscheinend ein Problem und so etwas wie einen Burnout hätte. Seitdem hat er offenbar nicht einmal mehr Zeit für einen kurzen Anruf und ich habe ehrlich keine Lust, ihm ständig hinterherzutelefonieren. Schließlich weiß er genau, wann die Hochzeit stattfindet, und wird schon da sein.
    Am letzten Tag vor dem großen Ereignis sind alle, Nini und mich eingeschlossen, unglaublich aufgeregt. Vor lauter Arbeit kam ich nicht einmal dazu, mich in Ruhe nach einem schönen Kleid umzusehen. Und das, obwohl ich doch so etwas wie die Brautjungfer sein soll. Insgeheim muss ich über den Ausdruck grinsen. Ich wollte mein schönes grünes Kleid, das so gut zu meinen grünen Augen passt, zu diesem Anlass tragen. Doch dann entdecke ich, als ich den Brautstrauß für meine Mutter im Blumenladen in Überlingen bestelle, direkt daneben in einer kleinen italienischen Boutique einen himmelblauen Traum aus Seide. Ausgerechnet in meiner Größe, rückenfrei, mit einem fantastischen Neckholder-Ausschnitt, der zwar zunächst hochgeschlossen, aber dennoch unglaublich sexy wirkt. Obwohl ich es mir nicht leisten kann, weil ich durch den Einbruch neues Geschirr, Gläser, Gardinen und Geschirr für das Café kaufen musste und keine Ahnung habe, ob und wann die Versicherung den Schaden bezahlen wird, kann ich nicht widerstehen und erstehe es.
    Schließlich heiratet meine Mutter nur einmal. Hoffe ich wenigstens. Außerdem werde ich das Kleid auch gleich zu Ninis Abiball nächsten Monat tragen können, also lohnt sich die Investition.
    Am Abend vor der Hochzeit sitzen wir Mädels alle auf der Terrasse der ›Butterblume‹ und freuen uns über unsere gelungenen Vorbereitungen. Die Männer, Steve und sein Schwiegersohn George, sind dabei, alle Autos zu waschen und mit Blumenschmuck zu versehen. Emily hat wunderschöne Maiglöckchen- und Mairöschen-Blumengestecke mitgebracht und gleich dekoriert. Zusammen mit den weißen Tischdecken und abwechselnd grün-weißen Servietten sowie Kerzen sieht es im Gastraum des Cafés traumhaft nach Frühling aus. Die beiden Bäumchen vor dem Haus haben wir mit weißen Schleifen verziert und ein großes Schild ›Geschlossene Gesellschaft‹ vor die Tür gestellt. Im Garten warten Stehtische mit weißen Hussen auf die Gäste, die alle ebenfalls liebevoll