Wildrosengeheimnisse
zugeben, dass mir dieser Geburtstagsabend ganz außerordentlich gut gefällt. Das Gourmetmenü ist köstlich. Es besteht aus einem bunten Sommerblütensalat mit Langostinos, geschmolzenem Ziegenkäse und weißem Pfirsich vorweg, indischem Gewürz-Stubenküken mit Taboulé, Ananas und Tandoori-Joghurt als Hauptspeise und gebackenem Schokoladen-Ingwer-Flan mit warmen Basilikum-Erdbeeren. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal etwas derart Leckeres gegessen habe. Leon erweist sich wieder einmal als charmanter Gesellschafter und bringt mich mit seinen Geschichten zum Lachen. Natürlich erzählt er eine Menge vom Weingut, das ist nun einmal sein Leben. Doch erstaunlicherweise spricht er auch viel von seiner kleinen Schwester Emily.
»Weißt du, Maja, ich bin dir so dankbar. Ich glaube, ohne dich wäre Emily immer noch so ein verkorkster Hippie.«
Das kann er jetzt unmöglich witzig finden. Emily hat ihre Vorliebe für indische Hippieklamotten und strähnige Haare doch schon eine Weile abgelegt und ist jetzt eine sehr stilbewusste junge Frau geworden.
»Apropos: Was hat Nini eigentlich vor nach der Schule? Vielleicht kann ich etwas für sie tun.«
»Vielen Dank, aber das brauchst du nicht, Leon. Nini hat sich in Mannheim an der Uni beworben, um zu studieren.«
»Mannheim? Um Gottes willen, was will sie denn daaa.«
Er scheint ehrlich entsetzt.
»München, Hamburg – ja. Aber Mannheim ?«
»Na ja, ich glaube, da spielt ein gewisser Ben eine nicht unerhebliche Rolle, der ebenfalls dort studiert.«
Leon zieht fragend eine Augenbraue hoch.
»Aha, Ben. Wer ist denn das? Was macht sein Vater und was studiert er, wenn ich fragen darf?«
»Soviel ich weiß, will er Lehrer werden.«
In Leons Gegenwart traue ich mich kaum zu ergänzen: »Für Biologie.«
»Ein Biolehrer. Ich fass es nicht. Ein Beamter. Der Weg in die gesicherte Armut.«
Das macht mich aber nun richtig wütend.
»Lehrer ist ein sehr ehrenwerter Beruf, lieber Leon. Und Ben ist ein äußerst kluger und verantwortungsbewusster junger Mann. Was sein Vater macht, weiß ich gar nicht, das interessiert mich auch nicht«, schnaube ich.
»Das sollte es aber. Immerhin geht es um deine Tochter. Du willst doch für sie sicher das Beste. Und wie soll ein Beamter denn anständig für sie sorgen können? Ehrenwerter Beruf – wenn ich so was schon höre. Da kann sie sich gleich einen suchen, der Bienen züchtet oder in Afrika eine Missionarsstation leitet.«
Also das ist doch die Höhe. Diese Arroganz habe ich schon immer an Leon gehasst.
»Auch das wäre sicher mindestens so ehrenwert wie Wein anzubauen, oder nicht?«
Was bildet er sich nur ein? Wo wäre er denn, wenn nicht sein Vater ihm das erfolgreiche Weingut hinterlassen hätte?
»Glaubst du denn im Ernst, dass so ein Lehrer deine Tochter jemals im Leben zu einem solchen Dinner auf einem derartigen Schiff einladen kann?«
»Ach, und warum nicht? Außerdem wird Nini auch studieren und kann es sich vielleicht selbst leisten, wenn sie mit dem Studium fertig ist. Vielleicht braucht sie dann gar keinen Mann, der sie dazu einlädt, oder kann ihn dazu einladen.«
Ich mag den Rest des leckeren Schokokuchens gar nicht mehr essen, sondern feuere wütend die Gabel auf den Teller.
»Na toll. Da hast du ihr was Schönes beigebracht. Und was will sie studieren? Philosophie oder Soziologie wahrscheinlich oder irgend so einen anderen nutzlosen Käse, wie ich deine Tochter kenne.«
»Wirtschaftswissenschaften nennt sich der nutzlose Käse, den meine Tochter studieren möchte, die du im Übrigen genauso wenig kennst wie deine eigene Schwester.«
Ich knalle die Serviette auf den Teller und marschiere zur Toilette, wo mich mein knallrotes, wütendes Gesicht im Spiegel erwartet. Dass Leon jedes Mal einen schönen Abend kaputt machen muss. Auf einmal fällt mir wieder ein, warum ich mich von ihm getrennt habe, und ich bin heilfroh, dass die ›Hohentwiel‹ kurz darauf den Hafen wieder anläuft. Die Stimmung ist dahin und die Heimfahrt verläuft schweigend.
Dennoch verabschiede ich mich höflich von Leon, indem ich mich tausend Mal bei ihm für diese tolle Geburtstagsüberraschung bedanke. Immerhin hat er nicht nur viel Zeit, sondern auch viel Geld geopfert, um mir eine Freude zu machen. Weil ich immer noch so aufgeregt bin, kann ich nicht schlafen und gehe stattdessen in den Garten. Gedankenverloren setze ich mich auf den kleinen Steg, denke an den Abend auf dem wunderschönen Schiff ›Hohentwiel‹ und betrachte
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