Wildrosengeheimnisse
an.
Obwohl es schon spät ist, geht er gleich ans Telefon und ich erzähle ihm von dem mysteriösen Anruf.
Nur einige Minuten darauf steht er vor meiner Tür.
Dass ich eine alte Jogginghose trage und noch Reste der Anti-Age-Maske im Gesicht habe, wird mir erst bewusst, als er mich leicht irritiert betrachtet.
»Oh, Michael. Danke, dass du so schnell gekommen bist. Warte bitte einen klitzekleinen Moment, ja?«
Während sich Michael auf mein lila Sofa setzt, ersetze ich in Windeseile die Jogginghose durch eine Jeans, wische die Maskenreste ab und binde meine Locken zusammen. Dass ich jetzt ungeschminkt bin, kann ich nun auch nicht mehr ändern. Nur etwas Gloss auf die Lippen, das muss reichen.
Als ich gerade dabei bin, Michael von dem mysteriösen Anruf zu erzählen, klingelt das Telefon erneut. Diesmal kann ich besser verstehen: Es ist tatsächlich Nini, die aufgeregt berichtet, auf dem See treibe eine Leiche. Sie kann mir gerade noch sagen, wo sie sich befinden, nämlich am Teufelstisch in der Nähe der Marienschlucht, da reißt das Gespräch ab.
»Komm, wir fahren sofort hin«, entscheidet Michael und schon sind wir unterwegs.
Während der Fahrt ist mein Begleiter sehr nachdenklich, dann sagt er plötzlich:
»Maja, es gibt etwas, das du noch nicht weißt. Als dieser Ronny Grothe seine Frau als vermisst meldete, deutete er an, sie könnte sich etwas angetan haben. Angeblich sei sie schon längere Zeit sehr depressiv gewesen.«
Ha. Depressiv. Dass ich nicht lache. Sie war kreuzunglücklich mit diesem Kerl an ihrer Seite.
»Und er habe, als sie an dem bewussten Tag nicht nach Hause kam, ein wenig in ihrer Nachttischschublade herumgekramt. Dort hätte er mehrere leere Packungen mit Schlaftabletten gefunden. Das Merkwürdige sei gewesen, nicht die Packungen waren leer und die Tabletten einzeln herausgetrennt, so als ob jeden Abend jemand eine nimmt, sondern der komplette Inhalt mitsamt der Verpackungseinheit fehlte. Er war in Sorge, sie könnte sich umgebracht haben.«
»Denkst du das auch, Michael?«
»Hmmm, ich weiß nicht. Es wäre eine Möglichkeit, denn sie war, was kein Geheimnis ist, sehr unglücklich in ihrer Ehe mit Ronny. Möglich wäre allerdings auch, dass er ihr etwas zugefügt haben könnte und mit den Schlaftabletten nur von sich ablenken wollte. Wie auch immer, ohne Leiche können wir nicht ermitteln. Weder, ob es sich um Mord, noch, ob es sich eventuell um Selbstmord handelt. Nun, vielleicht kommen wir heute Abend einen Schritt weiter.«
Michael stellt den Wagen auf dem Parkplatz zur Marienschlucht in Langenrain ab. Die Gegend ist so ganz anders als die liebliche Bodenseelandschaft sonst. Fast hat man den Eindruck, irgendwo in Schottland gelandet zu sein, mit den bewaldeten Hügeln und den wildromantischen Wegen. Bewaffnet mit einer Taschenlampe und dem Handy, über das Nini uns genaue Anweisungen gibt, wo sie sich befinden, machen wir uns auf den Weg Richtung See. Zu blöd, dass es bereits stockdunkel ist und man kaum sehen kann, wo man hintritt. Der urige Weg zwischen den hohen Felswänden ist schmal und verschlungen und unter uns rauscht der Bach, der in den See fließt. Sonst ist alles totenstill.
Oh Gott, ich muss an die Leiche denken, die die Jugendlichen gesehen haben. Ob das die verschwundene Isabella ist?
Mir fällt das Gespräch der BBP-Ladys aus dem Café wieder ein. Was, wenn es so war? Sie einen Liebhaber hatte? Womöglich Christian? Vielleicht war sie so unglücklich, dass sie sich mit den Schlaftabletten das Leben nahm? Oder Ronny hat alles herausgefunden. Gewalttätig, wie er ist, ist er vielleicht komplett durchgedreht und hat sie tatsächlich ermordet, um sie anschließend in den See zu werfen. Die Strömung könnte sie Richtung Wallhausen getrieben haben.
Oder er hat die Leiche gleich auf ein Kanu, das man am Campingplatz ausleihen kann, gepackt und ist damit über den See gerudert. In der Hoffnung, dass sie dort, am Teufelstisch, nicht so schnell auftauchen wird. Bei dem Teufelstisch handelt es sich um eine Felsformation im See, eine Felsnadel, die vor der Steilwand vor Wallhausen liegt. Er hat einen Durchmesser von circa 15 Metern und liegt, je nach Wasserstand, etwa anderthalb Meter unter der Wasseroberfläche. Rings um den Teufelstisch fällt die Wand fast senkrecht bis in circa 90 Meter Tiefe ab. Weil es dort in der Vergangenheit viele tödliche Tauchunfälle gab, existiert seit einigen Jahren ein generelles Tauchverbot an dieser Stelle.
Natürlich ranken sich
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