Wildrosengeheimnisse
Christians kleines, altes Segelboot ›Sommerwind‹. Welch ein Unterschied zu dem herrschaftlichen Ambiente eben. Und doch hätte ich den Abend viel lieber mit Christian auf dieser kleinen Nussschale verbracht, mit etwas Baguette und Wein und Weintrauben, wie an dem Abend, als wir vor Langenargen den Anker warfen und uns verliebten. Seit Wochen hat er sich nicht gemeldet und er fehlt mir so sehr. Was ist nur mit uns geschehen? Wir waren doch so glücklich und verliebt. Misstrauen essen Liebe auf, hat Emily gesagt. Habe ich durch mein Misstrauen alles kaputt gemacht? Aber warum spricht er nicht mit mir? Mein Stolz ist zu groß, um ihm nachzulaufen. Sanft spiegelt sich das Mondlicht im Wasser. Jetzt erst fällt mir auf, wie hell der Vollmond den See bescheint. Komisch, dass ich das an Bord der ›Hohentwiel‹ gar nicht bemerkt habe. Weil es noch so schön warm ist, streife ich mein Kleid und die Unterwäsche ab und lasse mich nackt in das kühle Wasser gleiten. So ein Bad im Mondschein ist nicht nur herrlich erfrischend, sondern auch unglaublich romantisch und macht meinen Kopf augenblicklich wieder frei. Was rege ich mich so auf? Über Leon brauche ich mich nicht mehr zu ärgern, schließlich sind wir nur noch gute Freunde und die dürfen auch einmal anderer Meinung sein. Und Christian? Pah. Wenn er der Auffassung ist, dass ihm das alles hier, das wunderschöne alte Haus, das Segelboot, der traumhafte See, na ja, und ich natürlich, so wenig bedeuten, dass er darauf verzichten kann – bitte schön. Dann viel Glück mit Daniela oder Isabella oder wem auch immer und wo auch immer.
13. Kapitel: »Nie mehr allein«
Am nächsten Morgen ist mir wieder so schlecht, dass ich gar nicht aufstehen mag. Mit letzter Kraft schleppe ich mich ins Bad und übergebe mich. Was ist denn nur los mit mir? So viel habe ich gestern Abend doch gar nicht gegessen und schon gar nicht getrunken. Das wird nur der Stress der vergangenen Zeit sein, es war alles ein bisschen viel, versuche ich mich zu beruhigen. Doch aus dem Spiegel blicken mir trübe Augen und ein käseweißes Gesicht entgegen. Kein Wunder, dass ich kein Glück mit den Männern habe. Bei dem Aussehen könnte ich selbst davonlaufen. Komisch ist das schon, dass mir ständig übel ist. Wenn es nun ein Magengeschwür ist? Oder gar Schlimmeres? Bei der vielen Arbeit im Café kann ich mir nicht erlauben, krank zu sein.
Schnell schlüpfe ich in ein paar bequeme Jeans und radele zu Dr. Krüger im Ort, in der Hoffnung, dass ich Glück habe und gleich drankomme. Nachdem ich ihm die Symptome geschildert und eine Blut- sowie eine Urinprobe abgegeben habe, sieht mich der alte Dr. Krüger ernst an und fragt: »Frau Winter, wann hatten Sie denn Ihre letzte Periode?«
Meine letzte was? Moment mal, das war, als Christian hier war … oder? Aber das ist schon eine Weile her, also kann das nicht stimmen. Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht soo genau, um nicht zu sagen, gar nicht, und blicke Herrn Dr. Krüger hilflos an.
»Ähmmmmm, lassen Sie mich nachdenken …«, beginne ich zögernd.
Herr Krüger nickt bedächtig mit dem Kopf.
Und nach einer eingehenden Untersuchung sagt er freundlich: »Herzlichen Glückwunsch, Frau Winter. Sie sind in der 7. Woche.«
»Waaaaaaaaas?«
Ich falle fast vom Stuhl.
Ich bin … waaaaas?
»Das kann unmöglich sein. Ich nehme doch die Pille.«
Wobei, wenn ich so darüber nachdenke…
Vielleicht war es doch etwas leichtsinnig, wie ich in den letzten Monaten mit der Einnahme derselben umgegangen bin. Hin und wieder habe ich sie schlicht und ergreifend vergessen, weil ich nach einem langen Arbeitstag im Café kaum imstande war, mir die Zähne zu putzen. Auch das Abschminken habe ich oft genug unter den Tisch fallen lassen, was, wie jede Frau weiß, der Schönheit nicht gerade förderlich ist. Allerdings kommt mir dieses Versehen im Vergleich zu der Neuigkeit, die mir der Doktor gerade mitgeteilt hat, geradezu lächerlich vor. Wie konnte ich nur so dumm sein? Eine erwachsene Frau wie ich?
Nini hätte ich dafür eine ordentliche Standpauke gehalten.
So oft, wie ich die Pille vergessen oder zu spät eingenommen habe, hätte schon längst ›etwas passieren‹ können. Vielleicht konnte ich mich auch nur deshalb in Sicherheit wiegen, weil ich im Unterbewusstsein dachte, ich sei ohnehin schon zu alt, um schwanger zu werden?
Wie blöd von mir. Oh Gott, lass das nicht wahr sein … Ich bin 40 und schwanger.
Als hätte Dr. Krüger meine Gedanken erraten,
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