Wildrosengeheimnisse
geht es halt, wenn man nicht auf die Männer aufpasst.‹ einfällt. Offenbar hat sie wohl doch nicht genug auf Hubert aufgepasst. Oder die ganze Zeit die junge Konkurrenz gefürchtet, während die Gefahr in Gestalt der reifen Ruth, die sogar noch ein paar Jährchen älter ist als sie selbst, direkt vor ihrer Nase war. Deshalb hat Ruth auch neulich den Yachtclub-Präsidenten verteidigt, jetzt fällt es mir wieder ein. Von wegen, es könnte auch Liebe sein, die ihn mit der neuen Partnerin verbindet. Auch das ist keine Bettgeschichte, das sehe ich. Die beiden halten sich so still an den Händen, das sieht mir nach ernsten Gefühlen aus. Sie wirken so verliebt, dass sie mich nicht einmal bemerken. Jedenfalls, bis ich mich ein zweites Mal an meiner Brezel verschlucke und einen Hustenanfall bekomme.
Ruth blickt ängstlich in meine Richtung, denn sie hat mich erkannt.
Doch ich tue so, als würde ich ganz woanders hinsehen, wische mir die Brezelkrümel von meiner Jeans, drehe mich um und schlage den Rückweg zum Schiff ein. Aber jedenfalls weiß ich nun, warum Ruth so ausgeglichen und glücklich im Café war. Sie ist verliebt und wird geliebt, das ist offensichtlich. Wenn ich auch für Untreue üblicherweise kein Verständnis habe, so muss ich doch sagen, dass ich in diesem Fall sogar Hubert verstehen kann. Seine Frau ist nun wirklich eine Keifliese, die ihre Nase in alle Dinge steckt, die sie nicht das Geringste angehen. Immer mit dem erhobenen Zeigefinger und mit der Gewissheit, dass ihr sämtliche Missgeschicke natürlich niiie passieren könnten. Nett war sie nicht zu ihrem Hubert. Der musste spuren wie ein dressierter Hund. Also war es nur eine Frage der Zeit, dass er irgendwann auszubrechen versuchte. Es ehrt ihn sogar, dass er sich keine Jüngere gesucht hat, sondern offenbar Wert auf Herz und Hirn statt auf Busen und Po zu legen scheint. Bestimmt haben die beiden nie im Leben damit gerechnet, dass sie schon so früh am Morgen jemand von der anderen Seite des Sees ertappt. Doch von mir wird kein Mensch etwas erfahren. Mir hat dieser kleine Ausflug jedenfalls ausgesprochen gutgetan und ich habe mich wieder so weit im Griff, dass ich gleich nach meiner Rückkehr das Café aufmachen kann.
*
Heute kann ich die vielen fröhlichen Gäste jedoch nur schwer ertragen. Ich möchte allein sein und darüber grübeln, wie es jetzt weitergehen soll. Doch dazu komme ich nicht, denn viel zu viele froh gestimmte Radfahrer und Spaziergänger wollen den herrlichen Sommertag auf unserer Terrasse genießen. Nini hilft fleißig in der Backstube und zaubert massenhaft Brombeer-Vanille-Seehupferl und Pistazien- und Rosen-Küsschen sowie zwei große Bleche Apfel- und Pflaumenkuchen, so dass wir bereits für den kommenden Tag bestens gerüstet sind.
»Weißt du was, Mami? Du bist noch kein einziges Mal mit mir in meinem Beetle mitgefahren. Was hältst du von einer kleinen Spritztour am See entlang?«, fragt sie, als wir das Café aufgeräumt und abgeschlossen haben. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Nini mit mir reden will. In Ruhe. Ohne den ganzen Heckmeck. Also stimme ich zu, auch wenn ich todmüde bin und nachdenken wollte.
»Super Idee. Lass uns doch nach Langenargen fahren und dort am See ein Eis essen gehen. Der Abend ist so schön.« Unterwegs ist Nini seltsam in sich gekehrt. Normalerweise ist sie lebendig und aufgekratzt und erzählt mir tausend Sachen von Ben oder ihren Freundinnen. Ich mache ihr Komplimente über ihre Fahrweise, denn sie steuert den kleinen Beetle ruhig und sicher durch den dichten Urlaubsverkehr am See entlang. Früher saß sie auf dem Beifahrersitz und ich musste fahren, denke ich stolz. Wie groß mein kleines Mädchen doch geworden ist, fällt mir auf, während ich sie heimlich von der Seite betrachte. Ihre blonden Haare hat sie hochgesteckt, lange silberne Ohrringe baumeln an ihren Ohren. Obwohl sie nur Jeans und ein weißes T-Shirt trägt, wirkt sie schon richtig erwachsen. Wie eine angehende Studentin. In Langenargen haben sogar noch die Geschäfte geöffnet. Die Ladeninhaber haben sich eine lange Einkaufsnacht einfallen lassen. Diese Idee finden offensichtlich nicht nur die vielen Urlauber gut, denn wir haben Mühe, einen Parkplatz zu finden.
»Schau mal, Mami. Das ist auch einer der ›AK-Stores‹. Sollen wir mal reingehen?«
Nini wartet die Antwort gar nicht erst ab, sondern stöbert bereits die Regale durch.
Eine jugendliche Elfe mit hellblondem Bubikopf, in knackengen Jeans und einem
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