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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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Nach kurzem Stolpern findet er einen gleichmäßigen Takt, der das Fahrzeug in Vibrationen versetzt. Der Sound klingt gewöhnungsbedürftig, wirkt aber kräftig und gesund. Aufatmend lege ich einen Gang ein, trete aufs Gas – und stoße prompt rückwärts. Die Tücken der Revolverschaltung waren mir entfallen, der erste Gang liegt links hinten statt vorn. Okay, jetzt weiß ich es wieder.
    Wenige Augenblicke später schaukele ich im sanften Abendsonnenschein die kurvige Straße hinab in Richtung Eitorf – meiner letzten Chance entgegen.
    Um Viertel vor sieben stelle ich den Wagen in einer Seitenstraße ab, betrete den Alten Friedhof und klemme mir ein vertrocknetes Grabgesteck unter den Arm. Ich besuche die imposante Grabstätte der Industriellenfamilie Gauhe, pausiere vor dem Engel, der mit ausgebreiteten Armen die Familie Krahforst von Weschpfennig behütet, und beobachte Waskovics Firmengebäude.
    Kurz nach meiner Ankunft verlassen vier Personen schwatzend und gestikulierend das Haus. Fünf Minuten später kommt die Putzfrau – die hat Salzmann natürlich vergessen zu erwähnen. Typisch Mann. Um drei Minuten nach sieben tritt eine weitere Frau aus dem Haus und sperrt sorgfältig ab. Von Waskovic keine Spur. Doch Pavel hat mir schon vor zwei Stunden eine SMS geschickt.

    Treffen um acht im Park wie vereinbart. Alles gut.

    Waskovic scheint folglich gar nicht hier zu sein.
    Um zehn vor acht verlässt die Putzfrau das Haus, keine zwei Minuten später stehe ich vor der Tür und betätige alle drei Klingeln. Nichts geschieht. Also gut. Jetzt oder nie.
    Waskovic hat das Eingangsschloss nicht austauschen lassen, wie ich erleichtert feststelle. Der Schlüssel passt, und ich stehe in der kleinen Empfangshalle, die von einem ausladenden Kristalllüster bekrönt wird. Langsam nehme ich die Treppe in den ersten Stock, lausche. Tatsächlich scheint niemand mehr da zu sein.
    Ich wende mich nach links und gehe den langen Korridor entlang. Die letzte Tür auf der rechten Seite, hat Salzmann gesagt. Aber er hat nichts davon gesagt, dass sie abgeschlossen sein könnte.
    Mist!
    Ich ziehe das abgebrochene Schubkarrengestänge unter meiner Jacke hervor, lege es beiseite und trete heftig gegen die Tür. Nichts geschieht. Ich trete nochmals zu, ohne Erfolg. Wer schafft es schon, mit einem lädierten Knöchel eine Tür einzutreten? Ich hebe die Eisenstange auf, versuche, sie als Hebel zwischen Rahmen und Tür zu klemmen, drücke mit aller Kraft dagegen – sie verbiegt sich. Billiger Chinaschrott vermutlich. Ich versuche nochmals mein Glück, wähle einen anderen Winkel, hebele – und die Tür springt auf. Na also, wer sagt’s denn. Über das schöne dunkle Türblatt – höchst wahrscheinlich illegal geschlagenes Tropenholz – zieht sich ein hässlicher Kratzer.
    Ich schlüpfe in Waskovics Büro, einen großen, nahezu quadratischen, ziemlich dunklen Raum mit unvermutet karger Ausstattung. Ein mächtiger Schreibtisch mit Glasplatte, zwei Sessel, ein Tischchen, ein in die Wand eingelassener Aktenschrank, ein Rechner, ein Drucker – das war’s. Ich schalte den Computer ein, der Bildschirm taucht den Raum in blaues Licht. Es gelingt mir mühelos, mich einzuloggen: ›Saporischschja1979‹ ist tatsächlich das Benutzerkennwort. Nach kurzer Suche finde ich unter Laufwerk ›G‹ das verschlüsselte Verzeichnis. Ich gebe das Kennwort ein, und da habe ich sie, zwei Dateien mit den Namen ›Nebenkostenvergleich_fortlaufend‹ und ›Nebenkostenvergleich_fortlaufend2‹.
    Ich öffne die zweite Datei jüngeren Datums zuerst. Eine lange Reihe von Namen, Zahlen, Daten, Spezifikationen, dazu eine Spalte mit kryptischen Notizen wie ›fortlauf. Zahl. o. Bonus‹. Panik steigt in mir auf. Wer soll damit etwas anfangen? Ich tippe ›Noh‹ als Suchbegriff ein, finde aber nichts. Salzmann, du Arsch! Ich habe dir vertraut – aus purer Verzweiflung. Jetzt hast du deine Klunker und sitzt gemütlich im Bumsbomber nach Bangkok, während ich hier Kopf und Kragen riskiere – für nichts. Ich überfliege die Liste nochmals, tippe ›Dr. No‹ ein, ein hilfloser Versuch, doch noch etwas zu finden.
    Treffer. Da ist er! ›Dr. No, Zweitkontakt, laut Müller ausbauf. Verbindung zu H. u. E.; Aufstock. 350.000/ Transaktion Gemstones/ Müller.‹
    Ich schicke einen Druckbefehl raus und sende die Datei per E-Mail an Herbert. In diesem Moment trifft eine SMS von Pavel ein. ›Er ist da.‹ Ich hole tief Luft. Hoffentlich ist Denise vor Ort. ›Lasse ihn

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