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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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ist mir klar, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Brücke fehlt: der blaue Teppich zwischen Schreibtisch, Sessel und Tür. Und im Regal klafft eine Lücke, dort, wo die Akte gestanden hat. Nicht dass in dem Regal nicht noch weitere Lücken klaffen würden, doch ich bin ein ordentlicher Mensch, und mir fällt sofort auf, wenn jemand Hand an meine ureigene Ordnung gelegt hat. Das Auffälligste ist allerdings der Geruch, es riecht nach … Ich brauche einen Moment, um darauf zu kommen. Jetzt weiß ich’s: Es riecht nach Möbelpolitur. Außerdem liegt ein Fax auf meiner Tastatur, das gestern Nacht noch nicht dort gelegen hat.
    Ich nehme das Blatt in die Hand und erstarre: Es ist die Kopie einer Leistungsvereinbarung, getroffen zwischen der Detektei Schiller und der hill & valley GmbH, Eitorf, vor ungefähr zweieinhalb Monaten unterzeichnet von Bert Waskovic – und von mir. Hastig überfliege ich die Zeilen. Grund des Auftrags ist offenbar die Veruntreuung von Geldern durch Firmenmitarbeiter, meine Detektei soll einem Anfangsverdacht nachgehen und ihn gegebenenfalls verifizieren.
    Was, zum Teufel, hat das zu bedeuten? Und wie kommt das Fax auf meinen Schreibtisch? Ich will Waskovic danach fragen, doch er hat das Gespräch beendet. In höchster Alarmbereitschaft schaue ich mich um: Auf den ersten Blick gibt es keine Anzeichen für einen Einbruch.
    Der Rucksack!, fällt es mir siedend heiß ein. Markus’ gestohlener Rucksack mitsamt Papieren, Bargeld … und dem Hausschlüssel. Irgendjemand von der Sesamstraßen-Gang muss hier gewesen sein, während ich mir in Bergheim nasse Füße geholt habe.
    Dann merke ich, dass mein Laptop hochgefahren ist. Der Bildschirmschoner ist aktiviert, und über den Monitor läuft ein Spruchband. ›Unsterblich allein ist der Tod!‹
    Sehr poetisch. Und durchaus Angst einflößend. Ich betätige willkürlich eine Taste, um den Bildschirm zu aktivieren. Sie ist merkwürdig klebrig.
    Der Mediaplayer ist geöffnet und zeigt eine Datei an, die den Namen ›Bye bye, Schatzi‹ trägt; eine Videobotschaft. Na toll. Mit reichlich unguten Gefühlen starte ich den Film. Was ich zu sehen bekomme, lässt mir alles Blut aus dem Gesicht weichen.

    Thomas H. Müller. Wasserwellen-Tom. Tom und Thomas, ein und dieselbe Person! Was heißt das schon, versuche ich mich zu beruhigen. Nur, weil ich ihn mal besucht habe … Mit seinen Geschäften habe ich nichts zu tun. Ich habe überhaupt nichts mit ihm zu tun – bis auf den unbedeutenden Umstand, dass angeblich er es ist, der tot in meinem Kofferraum liegt.
    Kann das stimmen? Ich rufe mir jenen flüchtigen Augenblick ins Gedächtnis, in dem ich die Heckklappe meines Wagens öffnete und in den Kofferraum sah. Das Erste, was ich wahrgenommen habe, war die Einschusswunde im Rücken – im Rücken!, das Fieseste, Feigste, Ekelhafteste, was man sich vorstellen kann. Dann die Statur, weder groß noch klein; unauffällig, absolut unauffällig. Genau wie Wasserwellen-Tom. Der ist allerdings aschblond, und der Mann im Kofferraum hat tiefschwarzes Haar. Es kann nicht sein!, stelle ich aufatmend fest, doch in diesem Moment kommt mir in den Sinn, was Waskovic eben gesagt, ich aber nicht verstanden habe: ›Unser nordeuropäisches Bleichgesicht hat einen auf rassiger Spanier gemacht‹, oder so ähnlich. Sollte heißen, dass sein Opfer sich das Haar schwarz gefärbt hat. Bingo.
    Ist mir nicht an diesem Mann, der da zusammengekrümmt und mit dem Gesicht nach unten in meinem Wagen liegt, irgendetwas bekannt vorgekommen? Zum bewussten Erkennen hat es nicht gereicht, die Haarfarbe hat mich zu sehr irregeführt, und ich habe partout nicht über den Toten nachdenken wollen. Aber da ist eine unbestimmte Ahnung gewesen, ein vages Gefühl, das ich allerdings sofort verdrängt habe. Wenn schon ein Toter im Kofferraum, dann bitte schön nicht auch noch einen, den man kennt.
    Ich spule das Band meines Diktiergeräts zurück und höre mir Waskovics Aussage erneut an. ›Unser nordeuropäisches Bleichgesicht soll zwar versucht haben, einen auf rassigen Spanier zu machen, wie ich höre …‹ Seiner Ausdrucksweise nach hat er sich nicht persönlich vom Ergebnis der Färbeaktion überzeugt, sondern lediglich davon gehört. Sie musste also jüngeren, wenn nicht gar allerjüngsten Datums sein. Ein Mann wie Tom ist damit sicher nicht irgendeinem idiotischen Modetrend gefolgt, die Aktion scheint eher aus der Not heraus geboren zu sein, oder es handelte sich um eine strategische Maßnahme. Hat

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