Wildwasserpolka
Einkäufe in den Mondeo und fahre weiter in Richtung Pampa.
Der Köln-Bonner-Raum und die quirlige Rheinschiene einschließlich sämtlicher Autobahnen sind für mich tabu. Lieber viel Natur und Waldeinsamkeit, eine Gegend weitab vom Schuss, in der die Uhren langsamer ticken. Eigentlich eine Gegend, wie sie auch Waskovic bevorzugt, eine Gegend wie Eitorf.
Nichts da! Ich werde den Teufel tun und ausgerechnet Eitorf ansteuern, also schlage ich die Route in Richtung Westerwald ein. Die Wälder der Leuscheid erscheinen mir ebenfalls geeignet für eine Beisetzung in aller Stille.
Nach ungefähr 40 Minuten erreiche ich Weyerbusch, biege ab in Richtung Waldbröl und passiere bald den waldreichen Höhenzug oberhalb der Sieg, der sein Pendant auf der gegenüberliegenden Flussseite findet: Hier der bewaldete Höhenrücken der Leuscheid, dort spiegelbildlich das Nutscheid, beide mit Artikeln versehen, die nicht nur Deutschlehrer ins Grübeln bringen.
Ich fahre ein Stück durch den Wald, biege in einen Wirtschaftsweg ein, rolle ein paar Meter weiter und parke an einer Stelle, die von der Straße her kaum einsehbar ist. Hier entledige ich mich der weißen Latzhose und schlüpfe in Jeans und meine Outdoorjacke. Ich greife mir den Klappspaten, folge dem Weg ein Stück und schlage mich in die Büsche. Während ich gehe, versuche ich abzuschätzen, wie weit ich einen Toten allein transportieren kann. An der entsprechenden Stelle bleibe ich stehen und schaue mich um: Zwischen zwei mächtigen Buchen sind mehrere Äste niedergegangen, die relativ frisch wirken, womöglich hat der Schnee im letzten Winter sie gebrochen. Ich zerre die Äste beiseite, so gut es geht, und beginne, darunter zu graben. Wenn ich Müller erst verbuddelt habe, werde ich das Gezweig wieder darüber legen.
Nach den ersten Spatenstichen steigt mir ein intensiver Geruch nach Erde und verrottendem Laub in die Nase, der eine beruhigende Wirkung auf mich hat. Totes Laub – der Lavendel nordischer Mittelgebirge. Nicht mehr lang, und ich habe es geschafft. Vielleicht nicht gleich, vielleicht erst heute Nacht. Aber dann habe ich es hinter mir.
Anfangs geht die Arbeit leicht von der Hand, problemlos wühle ich mich durch Blätter und Humus, doch bald wird der Boden lehmiger, das Graben anstrengender. Nach ungefähr 20 Zentimetern Aushubtiefe steht mir der Schweiß auf der Stirn, und mein lädiertes Knie beginnt wieder zu schmerzen. Bei 30 entledige ich mich meiner Jacke und muss eine kurze Pause einlegen. Wenige Zentimeter weiter stoße ich auf ein Geflecht mächtiger Wurzeln. Verdammt! Wenn ich nicht tiefer komme, guckt ja noch Müllers Nase raus. Nach einigem Gezerre und Gehacke stoße ich auf eine Gesteinsschicht und gebe auf. Die Mühe ist umsonst gewesen.
Ich beschließe, es einige Meter weiter erneut zu versuchen, beschränke mich, aus Schaden klug geworden, allerdings vorerst auf eine kleinflächige Probegrabung. Bald stoße ich auch hier auf Wurzeln und Gestein. Es ist zwecklos. Da denkt man, es müsste einfach sein, jemanden auf Nimmerwiedersehen im Wald verschwinden zu lassen, aber weit gefehlt!
Deprimiert kämpfe ich mich durchs Gebüsch zurück zu meinem Wagen, klopfe mir die Erdklumpen von den Stiefeln, steige ein und fahre weiter. Nach einer Weile habe ich die Bergkuppe passiert, es geht langsam abwärts. Rechts entdecke ich einen Hinweis auf den Wanderparkplatz ›Blauer Stein‹.
Ist das nicht ein Basaltkrater? Ich glaube, schon einmal davon gehört zu haben, bin mir allerdings nicht sicher. Krater klingt gut. Ich setze den Blinker und folge dem Schild.
7
Sich verstecken heißt nicht sich in Sicherheit bringen.
Lateinische Weisheit
Der Blaue Stein ist nicht blau. Und von einem Krater, wie ich ihn mir vorstelle – einem mächtigen, nicht einsehbaren, alles verschlingenden Loch –, kann schon gar keine Rede sein.
Was ich vor mir sehe, ist eine Art Senke, von teils meterhohen, kerzengerade aufragenden Basaltsäulen umgeben. Parallel zu dieser Senke verläuft ein Weg das sanft ansteigende Gelände hinauf, zu einem winzigen Plateau, das wiederum in den Wald führt.
Rundum krallen sich Baumwurzeln eindrucksvoll an den Fels, die Erde darüber: kaum krumendick. Ein Wunder, dass hier überhaupt Bäume wachsen. Und noch eins ist klar: Mit einem Klappspaten kommt man an diesem Ort nicht weit beziehungsweise tief. Müller hier loswerden? Genauso gut hätte ich ihn zu Dick und Doof in die Hundehütte legen können.
Eine Weile schleiche ich auf dem
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