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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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wegstiehlt.

26
    Lieber mit allen Wassern gewaschen als nicht ganz sauber.
    Wandspruch im Roten Fachwerkhaus

    Die Vermieterin poliert gerade die Scheinwerfer ihrer Cabrio-Ente, als ich eintreffe. Die Begrüßung ist freundlich, sie hat mich bereits erwartet.
    »Ihre Stimme klingt ganz anders als am Telefon«, stellt sie fest. Wen wundert’s.
    »Ihre aber auch«, gebe ich lächelnd zurück und füge mit Blick auf die 2CV hinzu: »Ein Sonderling in der Form, eine Sonderklasse in der Leistung – kennen Sie den alten Werbespruch noch?«
    Sie kennt ihn. Wir plaudern über alte Schätzchen, unverhoffte Wasserrohrbrüche, das Frühlingserwachen und die herrliche Landschaft, und ich hoffe, vor lauter Naturbegeisterung fällt mein Pferdegeruch nicht auf.
    »Ich hatte es mir hier allerdings friedlicher vorgestellt«, behaupte ich abschließend und ernte einen verwunderten Blick.
    »An dem großen Kreisel unten bin ich zuerst falsch abgebogen und nach Schladern reingefahren«, präzisiere ich. »Im Ort war jede Menge Polizei unterwegs. Ich dachte schon, dort wäre eine Bank überfallen worden.«
    Nein, der Vermieterin ist nichts zu Ohren gekommen. Weder von einem Mord in der Grube Silberhardt noch von einer um sich ballernden Pferdediebin, schließe ich daraus. Die Frau erweckt auch nicht den Eindruck, als würde sie mir Informationen vorenthalten, um nicht am heimatlichen Heile-Welt-Image kratzen zu müssen.
    Ich verstehe das nicht: Die Grube liegt nur wenige Kilometer von hier entfernt. Wie kann es sein, dass die Nachricht vom Fund einer Leiche nicht bis hierher vorgedrungen ist? Hat die Polizei womöglich eine Nachrichtensperre verhängt? Kein überzeugender Gedanke. Wahrscheinlicher ist, dass bisher niemand Galina gefunden hat. Vielleicht herrscht im Bergwerk heute Ruhetag. Mich schaudert unwillkürlich bei dem Gedanken, dass ich, hätte ich den Ausgang nicht entdeckt, womöglich noch immer dort ausharren müsste.
    Ich konzentriere mich wieder auf die Vermieterin, die gerade erzählt, dass es auch einen schönen Garten gäbe. Sogar mit einem Teich. Ob sie mir den zuerst zeigen solle?
    »Um Gottes willen!«, entfährt es mir. Wenn ich das Wort ›Teich‹ allein höre, wird mir ganz anders.
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte: wie schön!«, erkläre ich mit heiterer Aufgekratztheit. »Aber zuerst würde ich gern die Wohnung sehen.«

    Wenige Minuten später bin ich allein – und sitze inmitten einer Puppenstube, so putzig und behaglich, als kämen gleich die sieben Zwerge durch die Tür. Sie würden allerdings ein reichlich lädiertes Schneewittchen vorfinden, das ermattet auf einem Korbstuhl hockt und sein schmerzendes Bein hochgelegt hat. Nur seine schwarze Perücke säße wie immer perfekt.
    Hier scheint es wirklich märchenhaft zuzugehen: Eben habe ich die Rosenblätter auf dem Doppelbett hinter der halbhohen Trennwand entdeckt und muss ein hysterisches Kichern unterdrücken. Wie war das noch? Richtig: der Service für Verliebte.
    Salzmann wird Augen machen!
    Der Vermieterin gegenüber habe ich ihn als meinen Verlobten ausgegeben, den ich spontan mit einem romantischen Abendessen in netter Umgebung überraschen wolle. Mein Liebster würde ein bisschen später anreisen und müsse leider in aller Frühe wieder los, habe ich behautet, damit erst gar keine Fragen aufkommen.
    Nachdem ich mich eine Weile ausgeruht habe, schleppe ich mich hinüber in die kleine Küche, brühe mir einen Tee auf und gieße ihn in ein entzückendes kleines Porzellantässchen. Sogar frisches Gebäck finde ich vor. Apropos Gebäck: Heute steht noch etwas anderes an.

    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Irene.«
    »Vielen Dank, Jojo«, meint meine Schwiegermutter brav, um gleich mit gewohnt spöttischem Unterton hinzuzufügen: »Und – mal wieder in geheimer Mission unterwegs?«
    Ausnahmsweise ist ihre als Beleidigung gedachte Neckerei zu etwas nütze, denn die Bemerkung verrät mir, dass sie von nichts weiß.
    »Tut mir leid, dass ich nicht vorbeikommen kann«, antworte ich ausweichend. »Leider kann ich hier gerade nicht weg.«
    »Verstehe«, behauptet Irene. Was ich bezweifle.
    »Feierst du schön?«, erkundige ich mich mit meiner sanftmütig-optimistischsten Stimme.
    »Na sicher!«
    Allzu festlich kann es nicht zugehen, denn im Hintergrund dröhnt der Fernseher. Genug des Small Talks, befinde ich und komme zur Sache. »Ist Markus da?«
    »Ja. Einen Moment, ich gebe ihn dir!«
    »Hallo, Schatz!«, begrüßt mein Mann mich fröhlich. Ich

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