Wildwasserpolka
eine so wichtige Rolle.«
»Welche Rolle habe ich denn Ihrer Ansicht nach gespielt?«, will ich wissen.
Salzmann denkt einen Augenblick nach. »Vanessa glaubt, dass Sie es waren, die Müller umgebracht hat«, sagt er schließlich.
Ich lasse mir die Sache einen Moment durch den Kopf gehen. »Wie kommt sie darauf?«, frage ich ruhig.
»Weil Müller ihr den versprochenen Anteil nicht gegeben hat und stattdessen verschwunden ist«, antwortet Salzmann ebenso gefasst. »Kurz darauf hörte Vanessa, wie Kemper zu Waskovic sagte, Sie wären mit Müller unterwegs. Und vorher hatte sie ja auch noch diese Fotos zu Gesicht bekommen.«
»Welche Fotos?« Ich kann mir die Antwort zwar denken, doch ich will wissen, was Salzmann darüber weiß. Oder zu wissen glaubt.
Als Vanessa sich einmal mit Waskovic im Hotel getroffen habe, sei Kemper kurz vorher dort gewesen, um Waskovic einige Bilder vorbeizubringen, erfahre ich. Waskovic habe die Fotos eine Weile auf dem Tisch liegen lassen, und als er mal rausmusste, habe Vanessa sie sich angesehen. Sie habe zunächst nicht gewusst, wer die Frau in Müllers Wagen war. »Aber als später der Name Johanna Schiller fiel und Vanessa mitbekam, dass Waskovic hinter Ihnen her war, hat sie zwei und zwei zusammengezählt«, erklärt Salzmann.
»Wenn sie da mal richtig gezählt hat«, werfe ich ein.
»Tja, das ist die Frage.« Salzmann schaut mich nachdenklich an. »Vanessa ist sich nur nicht sicher, ob Waskovic Sie ursprünglich auf Müller angesetzt hatte und Sie ihm dann abtrünnig geworden sind, oder ob Sie von vornherein auf eigene Faust gehandelt haben.«
»Und Sie, was glauben Sie?«, frage ich und erwidere seinen Blick. Lange, länger – so lang, dass mir reichlich mulmig zumute wird.
»Ich glaube das alles nicht«, sagt Salzmann überraschend locker. »Sie sind nicht gut informiert, sonst wären Sie nicht auf mich angewiesen.«
›Sie sind nicht gut informiert, sonst wären Sie nicht auf mich angewiesen‹ – was für ein arroganter Arsch! Dann diese Augen, die machen mich kirre. »Glotzen Sie mich nicht immer so an, das nervt!«
Salzmann scheint gar nicht hinzuhören. »Außerdem stelle ich mir immer wieder die Frage, warum Sie mich in jener Nacht angerufen haben«, fährt er ungerührt fort, und um ein Haar hätte ich mich verschluckt.
»Ich soll Sie angerufen haben?«
»Warum leugnen Sie? Das waren Sie doch! Ich habe Ihre Stimme sofort wiedererkannt, als ich Sie heute Morgen gehört habe.«
»Quatsch!«
Er glaubt mir nicht. »Warum haben Sie uns vor Waskovic gewarnt?«, insistiert er. »Warum haben Sie mich gewarnt? Warum nicht Müller, den Sie schließlich kannten?«
Ich weiß keine Antwort. Oder will sie ihm nicht geben. Mich stört plötzlich das viele falsche Haar, das meine Wangen streift, und ich fasse es zu einem Zopf zusammen, den ich gleich wieder löse.
»Weit sind Sie allerdings nicht gekommen«, weiche ich aus.
»Das stimmt«, pflichtet Salzmann mir bei. »Aber Sie offenbar auch nicht. Da fahren wir beide wohl dieselbe Strategie.«
»Weiß Vanessa, wo Sie sind?«, frage ich.
»Nein, ich habe nur telefonisch Kontakt zu ihr gehalten. Sie wollte Sie aufspüren und mich informieren, bis jetzt ist das allerdings nicht geschehen.«
»Nein«, sage ich. »Und das wird auch nicht geschehen. Sie hat sich nämlich gedacht, sie regelt das allein – nicht ganz allein, sondern zusammen mit diesem blonden Bullterrier. Das heißt, der Bullterrier war eigentlich sein Hund … Kennen Sie ihn? Ich meine jetzt nicht den Hund, sondern …«
»Wer ist dieser Typ?«
Ich zucke die Achseln. »Vanessas Freund, nehme ich an. Also ein weiterer Freund, ich weiß ja nicht recht, wie Sie und Vanessa Ihr Verhältnis definieren … Die beiden versuchen jedenfalls seit Tagen, mich zu erwischen. Einmal konnte ich allerdings den Spieß umdrehen und mir Vanessa schnappen, und da hat sie ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert. Leider hatte ich an dem Morgen keine Zeit, mir die ganze Geschichte anzuhören.«
»Und der Kerl?« Salzmann ist aufgestanden und stützt sich mit den Händen auf der Tischplatte ab.
»Der ist erst später aufgetaucht«, sage ich.
»Hat Waskovic ihn geschickt?«
»Nein, das glaube ich nicht. Er gehört ausschließlich zu Vanessa, wenn Sie mich fragen. Und jetzt setzen Sie sich mal wieder hin.«
Aber Salzmann tut es nicht. »Wenn Waskovic sie rumgekriegt hat, wenn sie es war, die mich …«
»Denken Sie doch mal nach, Salzmann!«, fahre ich dazwischen.
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