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Wildwasserpolka

Wildwasserpolka

Titel: Wildwasserpolka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Kuepper
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erzähle nicht, woher ich Salzmanns Aufenthaltsort kannte, noch, wo ich Müller gelassen habe und wie ich angeblich an sein Geld gekommen bin. Auch Pavel lasse ich außen vor. »Ich habe kein Interesse an euren krummen Geschäften«, schließe ich. »Ich will kein Geld. Ich will nur mein Leben zurück, verstehen Sie?«
    Salzmann steht noch immer vor mir, inzwischen lässig an die Wand gelehnt.
    »Nun gut«, sagt er, und sein Blick wandert zu meinem Rucksack, den ich ziemlich achtlos neben dem Kamin abgestellt habe.
    »Da ist nichts Interessantes drin«, sage ich. Er zögert einen Moment, ehe er hinübergeht, mit dem Rucksack zurückkehrt und dessen gesamten Inhalt auf den Boden kippt. Meine nasse Jeans, mein dreckiger Pulli, Unterwäsche, meine Haarbürste, Autoschlüssel von der Mutter-Kind-Kutsche und dem Mietwagen, das Notfallhandy, Vanessas Handy, die geraubte Geldbörse, das Feuerzeug, Papiertaschentücher, Kulturbeutel. Er schüttet auch das kleine Kulturtäschchen aus: Puder, Lippenstift, Lidschatten, Wimperntusche, Mini-Shampoo, Mini-Zahnpasta, Mini-Körperlotion. Er drückt das Shampoo auf dem Boden aus, anschließend die Zahnpasta. Eigentümlich fasziniert schaue ich zu. Er greift nach der Körperlotion. Die cremige weiße Masse, die neben dem Shampoo- und Zahnpastahäufchen zu Boden gleitet, ist versetzt mit dunklen Klümpchen. Noch mehr weiße Masse, weitere Klümpchen. Salzmann bückt sich und wischt die Pampe mit den Fingern vom Boden auf, schmiert sie direkt in seine Handfläche. Er betrachtet sie einen Moment lang, dann wendet er sich ab, will offenbar den Raum verlassen, dreht sich noch einmal um und greift nach der PB auf dem Sideboard. Ohne ein weiteres Wort geht er aus dem Zimmer. Ich humpele aufgeregt hinter ihm her.
    Er steht jetzt an der Spüle in der Küche, nimmt ein Teesieb aus dem Regal und streicht die cremige Masse vorsichtig hinein. Er dreht den Hahn auf und hält das Teesieb darunter, milchig weiß gefärbtes Wasser rinnt in den Abguss. Dann streckt er mir das Teesieb entgegen, mit einer vorsichtigen Bewegung, als würde er ein rohes Ei balancieren.
    »Und was ist das?«
    Die vermatschten Klumpen haben sich in blutrote Tränen verwandelt, dazwischen blitzen stecknadelkopfgroße, kristallklare Prismen auf. Ich bin keine Expertin in Sachen Steine, aber auch ein Laie sieht, dass die Dinger einiges wert sein müssen. Es ging also nicht um Geld, nicht um den berühmten Koffer voller Scheine, wird mir schlagartig klar. Es ging um Edelsteine.
    »Die Dinger habe ich noch nie gesehen«, antworte ich wahrheitsgemäß. Nach der Dusche hatte ich die Lotion nicht benutzt, weil ich die duftende Körperbutter im Bad vorgefunden hatte. Und die Drogerieartikel habe ich gestern erst gekauft.
    Waskovics Leute müssen mir die Steine auf dem Friedhof untergejubelt haben, als sie meine Mutter-Kind-Kutsche knackten und mir meinen Rucksack daließen. Ich hatte ihn zwar gründlich durchsucht, allerdings das Innenleben des kleinen Plastikfläschchens nicht näher unter die Lupe genommen, da es sich weder als Versteck für einen Abhörsender noch für einen Packen gestohlener Geldscheine eignet. Auf Rubine und Diamanten war ich hingegen nicht gekommen – wie sollte ich auch.
    »Sie haben mich also angelogen?« Es klingt eher nach einer Feststellung als nach einer Frage.
    »Ich bin selbst überrascht«, sage ich, wohl wissend, dass Salzmann mir nicht glauben wird, weil mir kein Mensch auf der Welt mehr irgendetwas glaubt.
    »Wenn Sie jetzt überrascht sind, was sollte dann die Geschichte mit dem versteckten Schatzkistchen?«, erkundigt er sich ruhig.
    »War erfunden«, gebe ich zu. »Es sollte cool klingen, und es war gelogen. Mit Speck fängt man Mäuse, habe ich gedacht. Wie hätte ich Sie sonst dazu bewegen sollen, sich mit mir zu treffen? Sie hätten keinen Grund gehabt, sich dem Risiko auszusetzen, und wären sofort getürmt.«
    »Ja, das wäre ich wohl«, stimmt Salzmann mir zu. »Aber nun habe ich ja, was ich wollte.« Er füllt die Steine vorsichtig in eine Butterbrottüte und stopft sie in seine Hemdtasche.
    Richtig, denke ich. Jetzt hat er, was er will.

29
    Das Schicksal mischt die Karten, wir spielen.
    Arthur Schopenhauer

    Mr. Noh und seine real existierenden Kollegen haben kein Bargeld erhalten, sondern Edelsteine, die in Asien nicht allein als Schmuck, sondern gleichermaßen als Sparbuch, Lebensversicherung und Altersabsicherung dienen. Außerdem sind sie hübsch klein und leicht zu transportieren

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