Wildwasserpolka
fresse ich einen Besen!«
»Dann wünsche ich guten Appetit. Sie heißt tatsächlich so.«
Salzmann beäugt mich skeptisch. »Wenn Sie es sagen.« Er zieht ein Taschentuch hervor und wischt sich über den Mund. »Waskovic hatte gleich ein Auge auf die beiden geworfen«, fährt er fort. »Rein zufällig habe ich mitbekommen, dass Vanessa einen jungen Burschen damit beauftragt hatte, ihr zu stecken, wer in welchem Schlitten vorgefahren ist. Damit sie schon mal eine Vorauswahl treffen konnte – die Mühe sollte sich schließlich lohnen. Das fand ich irgendwie pfiffig. Es zeigte mir auch, dass sie nicht zu ihrem Privatvergnügen unterwegs war, sondern sozusagen geschäftlich. Sie hat sich überhaupt geschickt verhalten. Die Dinge liefen, wie sie eben laufen, und bald hatte Vanessa Waskovic am Wickel. Natürlich hatte sie es auf ihn abgesehen, es war ja schnell klar, dass er der Boss war, aber ich habe gleich gespürt, dass sie zu mir den besseren Draht hatte.«
»Klar, bei einem Schwerenöter wie Ihnen wird vermutlich jede schwach. Sie haben also ebenfalls was mit ihr angefangen.«
Salzmann antwortet nicht.
»Haben Sie nun oder haben Sie nicht?«, hake ich nach, und der Kerl wird rot wie ein Schuljunge. Herrje! Ist das zu fassen?
»Sie waren scharf auf eine, die mit Ihrem Chef pennt, um ihm und Ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen?«, spotte ich mitleidlos. »Einen sonderbaren Geschmack haben Sie!«
Salzmann sagt immer noch nichts, und plötzlich erscheint mir sein Schweigen Sinn zu ergeben. »Hey, Sie lieben sie!«, platze ich heraus. »Lieben Sie Vanessa?«
»Das kann auch nur eine Frau fragen!«, brummt er. Dann, mit trotzigem Unterton: »Ob ich sie liebe? Nein, das tue ich nicht. Ich liebe nur meine Frau.«
»Die aber leider tot ist«, ergänze ich, denn er soll wissen, dass ich im Bilde bin. Ich will in dieser Diskussion unter allen Umständen das letzte Wort behalten.
Wenn Blicke töten könnten, hätte Salzmann mich in diesem Moment ins Jenseits befördert.
»Glauben Sie, die Liebe hört auf, nur weil der andere gestorben ist?«, fährt er mich an, und sein Bass ist rau wie Schmirgelpapier. Seine Verletztheit trifft mich, ob ich will oder nicht. Hey, der Typ ist ein Betrüger, ein Gangster, und wir drehen hier doch kein Remake von Love Story!, ermahne ich mich. Ich bin ein harter Knochen, was das Beziehungselend anderer Leute angeht. Diese ganzen Eifersuchts-, Seitensprung- und Fremdgeh-Geschichten berühren mich nicht. Ich wahre dazu eine professionelle Distanz, sonst könnte ich meine Arbeit nicht tun. Aber Liebe über den Tod hinaus: So etwas haut mich um, da werde ich hoffnungslos sentimental.
Ich denke an mein Telefonat mit Markus und bin fast neidisch auf diese fremde Liebe, bis mir aufgeht, dass Salzmanns Frau ja nichts mehr davon hat.
»Sorry«, sage ich und zwinkere eine Träne weg. »Sie haben Vanessa also engagiert?«
Salzmann nickt widerwillig. »Sie sollte Waskovic auf die Finger gucken, Augen und Ohren offenhalten. Waskovic ist clever, aber er ist auch ein Angeber, und da Vanessa nicht seine erste Geliebte war, wusste ich, dass er der Damenwelt gegenüber geschwätzig wird – in gewissen Situationen zumindest. Außerdem kann er schlecht zwischen Arbeit und Freizeit trennen und telefoniert bei allen Gelegenheiten. Das alles würde uns in die Hände spielen, dachte ich.«
»Vanessa sollte als eine Art weibliches Frühwarnsystem fungieren?«
»So ungefähr. Und sie hat uns dann ja auch gewarnt, nur leider zu spät – was Müller betrifft, zumindest.«
»Wissen Sie von der Geschichte mit Erkan Demer?«, frage ich ihn.
Salzmann sieht mich verständnislos an. »Wer soll das sein?«
»Ein türkischer Geschäftsmann aus Köln. Ein toter türkischer Geschäftsmann, allerdings. Ermordet, wie es aussieht. Vanessa war seine Geliebte. Und sie galt als eine der Tatverdächtigen.«
»Davon weiß ich nichts«, behauptet er. »Bevor sie den Job annahm, fragte sie lediglich, ob es um irgendwelche Mafiageschichten ginge. Sie sagte so etwas wie: ›Davon habe ich die Nase voll, damit will ich nichts zu tun haben‹, aber ich konnte sie beruhigen. Ich habe ihr gesagt, es ginge sozusagen um eine reine Privatangelegenheit zwischen Waskovic, Müller und mir, und damit war sie zufrieden. Sie hat sich auch nie beschwert, bis Sie auf den Plan getreten sind.«
»Ich?«
»Ja, Sie. Vanessa konnte Ihre Rolle nicht einordnen und war sauer, weil wir Sie nie erwähnt hatten, und plötzlich spielten Sie
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