Wildwasserpolka
Ohne die Zertifikate keine Einfuhrgenehmigung nach Europa, also auch kein Geschäft. Der Anbieter vor Ort muss folglich selbst ein Interesse daran gehabt haben, die entsprechenden Unterlagen beizubringen, ob gefälscht oder nicht.«
»Das stimmt«, meint Salzmann. »Aber nicht zertifiziertes, illegal geschlagenes Holz ist billiger zu haben als zertifizierte Ware – ob die Zertifikate nun gefälscht sind oder nicht. Es ist also besser, günstiges Holz zu kaufen und selbst für die Zertifizierung zu sorgen. Hierbei schmierst du nur Einzelne, kaufst aber immer günstig ein. Außerdem gilt zu bedenken, dass die geschmuggelte Ware nicht für den europäischen Markt bestimmt ist, sondern in erster Linie für den asiatischen, und da wird kein solches Tamtam um Gütesiegel gemacht.«
»Und mit Tamtam, wie läuft das ab?«, hake ich nach.
»Normalerweise so: Du kaufst einen kleinen Teil zertifizierte Ware und mischst sie unter die nicht zertifizierte Ware, was bis zu einem bestimmten Umfang sogar legal ist. Aber du mischst natürlich viel mehr unter als …« Salzmann hält inne und sieht mich erstaunt an. Sein Blick wandert hinunter zu meinen Bauch, der bereits zum wiederholten Male geknurrt hat, dieses Mal allerdings unüberhörbar.
»Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen?«, erkundigt er sich. »Nicht, dass Sie mir noch aus den Latschen kippen.«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein«, entgegne ich schnippisch, weil mir die Sache peinlich ist.
»Sie müssen doch in Ihrem Puppenstübchen irgendwas zu beißen haben!« Er lässt nicht locker. »Gehen Sie und schmieren Sie sich ein Butterbrot, ich laufe schon nicht weg.«
»Das hätten Sie wohl gern«, widerspreche ich. »Ich lasse Sie nicht aus den Augen, mein Freund.«
»Wie Sie meinen.« Salzmann zuckt die Achseln. »Ich muss ja nicht hungern, ich hatte ein Steak und Pommes Parisiennes zu Mittag.«
›Pommes was ?‹, möchte ich fragen, verkneife es mir aber. »Wir sollten weitermachen«, sage ich, stoße jedoch auf kein Gehör.
»Nun nehmen Sie schon Ihre Knarre«, fordert er mich auf. »Ich komme mit in die Küche.«
28
Nacht soll sprechen, Nacht beraten, Nacht soll bringen dir den Sieg.
Plutarch
Salzmann steht auf und stapft mit erhobenen Händen vor mir her in die Küche, wo er mir mit einem Kopfnicken bedeutet, mich auf den einzigen vorhandenen Stuhl zu setzen, ein Exemplar mit rot kariertem Kissen, das dekorativ in der Ecke platziert ist. Sofort beginnt er in dem alten Kuchenbüffet zu kramen und inspiziert den Kühlschrank. Ich frage mich, ob ich sein Tun unterbinden soll, ob das Ganze ein Trick ist und er nur auf den Augenblick wartet, in dem er mich überwältigen kann. Aber ich habe Hunger, einen Bärenhunger, und besser, er macht mir etwas zu Essen, wobei ich ihn im Blick habe, als es selbst zu tun. Als Salzmann nach einem Küchenmesser greift, will ich aufspringen, doch er entfernt lediglich die Folie einer Packung Räucherlachs und hebt den Fisch mithilfe des Messers auf einen Teller. Er füllt Crème fraîche in ein Schälchen und presst eine Knoblauchzehe hinein.
»Das ist es!«, entfährt es mir.
»Wie bitte?«
»Das geheimnisvolle Geräusch: die Knoblauchpresse!«
Salzmann schüttelt verständnislos den Kopf und greift nach einem kleinen Laib Brot.
Dann öffnet er noch einmal den Kühlschrank und holt eine Flasche Sekt heraus, die zum Verliebten-Arrangement gehört. Ich drohe mit dem Zeigefinger und bedeute ihm, die Flasche zurückzustellen. Zu gemütlich wollen wir’s uns schließlich nicht machen.
Er gehorcht kommentarlos und trägt die Speisen geschickt wie ein Kellner in den anderen Raum.
Obwohl ich noch eine Menge Fragen habe, verläuft das Essen schweigend, denn mit vollem Mund zu sprechen, untergräbt meine Autorität, fürchte ich. Als ich halbwegs satt bin, frage ich nach Vanessa.
»Wo haben Sie die aufgegabelt?«, will ich wissen.
»In der Disco«, bekennt Salzmann freimütig, als hätte ich ihn nach seiner neuesten Freundin gefragt, und nimmt sich erneut vom Lachs. »Wir haben sie damals zusammen kennengelernt: Waskovic, Müller und ich. Waskovic hatte uns eingeladen, das tat er manchmal. Wir zogen zu dritt los und machten uns einen netten Abend.«
»Und Kemper war nicht dabei?«
»Kemper? Nein, der bleibt lieber zu Hause, bei seiner Frau. Jedenfalls haben wir Vanessa dort getroffen, sie war zusammen mit ihrer Freundin da, der kleinen Blonden.
»Chantal?«
Er lacht auf. »Wenn die wirklich Chantal heißt,
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