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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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Geschichten über mich, hä?«
    Michael strahlte, als er die Stimme hörte. »Da ist er.«
    Die Fliegengittertür schwang auf, und ein grauhaariger alter Mann erschien im Türrahmen. Ein junges Mädchen stützte seinen Arm und half ihm auf die Veranda.
    »Wer ist da, Michael?«, rief der alte Mann. »Wer ist gekommen, um sich unserer Familie anzuschließen?«
    Das Gesicht des Mannes war blass und mit Leberflecken übersät. Tiefe Falten durchzogen seine Stirn und Wangen kreuz und quer, unter den Augen hatte er dicke Tränensäcke. Und es waren diese Augen, die Elsies Aufmerksamkeit auf sich zogen. Sie schienen auf einen Punkt hinter ihrem Kopf gerichtet, obwohl dort niemand stand. Bei genauerer Betrachtung wirkten sie aufgemalt und leblos wie die Kulleraugen einer Babypuppe. Elsie sah zu, wie das Mädchen Carol am Ellbogen in die Mitte der Veranda führte, bis seine Füße sicher auf den Holzplanken standen. Seine Hand fuhr unruhig durch die Luft, ertaste Michaels Schulter und legte sich darauf.
    »Er ist blind!«, sagte Elsie unwillkürlich.
    Unter anderen Umständen hätte Rachel ihrer Schwester gesagt, sie solle nicht so unhöflich sein, aber sie war ebenfalls von der Erscheinung des alten Mannes gebannt.
    Der Mann lachte. »Wer braucht schon eigene Augen, wenn er fünfunddreißig Paar zur Verfügung hat, hä? Das,« er wedelte mit dem Arm, um auf die Kinder im Garten zu deuten, »das sind meine Augen.«
    Die Augen in seinen Höhlen bewegten sich beim Sprechen ein wenig und blickten irrwitzig durch die Gesichter der Mädchen hindurch. Elsie bemerkte, dass sie aus Holz waren. Zwei blaue Iris waren etwas unordentlich auf die polierte Oberfläche gemalt.
    »Aber ich habe mich noch gar nicht vorgestellt«, sagte der Mann. »Ich bin Carol. Carol Grod. Und ich heiße euch, ihr Verstoßenen und Ausgestoßenen, in unserer kleinen Familie willkommen.« Er drehte sich zu Michael um. »Wie viele haben wir da?«
    »Drei, Carol«, sagte Michael. »Drei Mädchen. Eines davon kenne ich ziemlich gut. Wir waren Freunde, damals in der Außenwelt. Sie heißt Martha. Und die anderen beiden sind Elsie und Rachel.«
    »Aha!«, rief der Mann. »Drei! Das ist ja ein Rekord. Der alte Unthank muss mit euch Rackern alle Hände voll zu tun gehabt haben.« Zwei Hunde, ein Collie und ein Schäferhund, waren zu dem alten Mann gelaufen und jaulten ihn verspielt an. Er ließ die Hand von Michaels Schulter sinken und gab jedem einen liebevollen Klaps. Eine orange gestreifte Katze auf dem Verandageländer schlich sich vor den versammelten Hunden davon. »Kommt näher, ihr drei«, sagte er. »Damit ich euch sehen kann.«
    Elsie, Rachel und Martha gehorchten und traten zu dem alten Mann. Er hob die Hand, mit der er die Hunde gestreichelt hatte, und betastete der Reihe nach ihre Gesichter. Als er bei Elsie angelangt war, hielt er inne. Ein sorgenvoller Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Wer ist das?«, fragte er.
    »Ich bin Elsie«, sagte sie.
    Seine Augenbrauen hoben sich, als er wieder die Handfläche auf ihre Wange legte. »Elsie, hä? Was für ein schöner Name. Und welche ist deine Schwester?«
    »Sie ist hier, gleich neben mir«, sagte Elsie. Er ließ Elsie los und legte seine Hand sanft auf Rachels Wange. Seine Stirn furchte sich ein wenig, während er sie genauer begutachtete. »Elsie und Rachel«, brummte er mit tiefer Stimme.
    »Stimmt etwas nicht, Carol?«, fragte Michael.
    Das Benehmen des alten Mannes wandelte sich schlagartig. »Nein, nein«, sagte er und ließ Rachels Gesicht los. »Alles wunderbar.« Er klopfte Rachel zärtlich auf die Schulter. »Es ist schön, euch drei kennenzulernen. Willkommen in unserer fröhlichen Familie. Welches Missgeschick uns auch immer in der Vergangenheit zuteil wurde, hier ist es vergessen. Dies ist ein Ort der Zuflucht und des Trostes. Ihr könnt hier glücklich sein. Kommt.« Er machte eine Geste zur offenen Tür. »Kommt rein, dann zeigen wir euch das Haus. Sandra hat Linseneintopf gekocht. Ihr müsst sehr hungrig sein.«
    Und, um ehrlich zu sein, das waren sie.

    Nachdem sie den herzhaften Gemüseeintopf verspeist hatten (Elsie hatte nicht aufgehört, bis der letzte Happen mit einem weichen Stück Sauerteigbrot aus der Schüssel gekratzt war), lehnten sich die drei Mädchen auf ihren Stühlen zurück und genossen die Wärme, die ihre vollen Bäuche ausstrahlten. Carol hatte bei ihnen gesessen und vergnügt über ihre Essgeräusche gelacht. »Schön zu hören, wenn es jemandem schmeckt«, sagte

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