Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
sein gelbbraunes Fell.
»Wir leben jetzt hier«, sagte der Junge.
»Was? Die ganze Zeit schon?«
»Die ganze Zeit«, bestätigte Michael.
»Aber es ist schon ungefähr drei Jahre her, dass du unadoptierbar wurdest!«
»So lange schon?«, fragte der Junge nachdenklich, während er den Bauch des Retrievers tätschelte.
»Wohnst du hier in dem Haus?«
»Wir alle, Martha. Wir wohnen alle hier. Es ist unser Zuhause.«
Martha war noch immer verwirrt.
»Habt ihr es selbst gebaut?«
»Nein, wir haben es gefunden«, sagte Michael. Er sah Elsie und Rachel warmherzig an. »Genau wie ihr. Ich sehe, dass du Freundinnen mitgebracht hast.«
»O ja«, sagte Martha. »Das sind Elsie und Rachel Mehlberg. Sie waren erst eine Woche da.«
Die Kinder murmelten ein Hallo. Michael blickte wieder zu Martha. »Martha Song«, sagte er, »ich habe mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest. Ich meine, ich möchte nicht gemein erscheinen – ich weiß, dass es am Anfang ein bisschen schwierig ist –, aber ich habe gehofft, du würdest früher unadoptierbar. Ich habe dich irgendwie vermisst.«
Martha lächelte. »Ja, ich habe dich auch vermisst, Michael.« Sie wandte sich zu Elsie und Rachel. »Michael und ich sind ungefähr gleichzeitig im Unthank-Heim gelandet, wir waren schon als kleine Kinder befreundet.« Sie sah wieder zu dem Jungen. »Es hat mir das Herz gebrochen, als du gegangen bist. Ich glaube, ich habe drei Tage lang geweint.«
»Ich weiß, Martha«, sagte er. »Es ist so schön, dich wiederzusehen.«
Martha betrachtete den Jungen eine Weile, ehe sie sagte: »Du hast dich überhaupt nicht verändert. Ich meine, kein bisschen.«
Michael lächelte nur. Er wandte sich zu Elsie und Rachel. »Ihr müsst Carol kennenlernen.«
»Wer ist Carol?«, fragte Martha.
»Er ist sozusagen unser Vater hier. Das Oberhaupt unser großen Familie.« Michael stand auf, öffnete die Fliegengittertür und rief ins Haus. »Carol, es gibt ein paar neue Familienmitglieder im Tal zu begrüßen!«
Während sie auf den Mann warteten, löcherte Martha Michael mit Fragen. Ebenso wie Elsie und Rachel war sie völlig verwirrt von den Ereignissen des Nachmittags.
»Als ich hierher gekommen bin«, sagte der Junge, »war ich genauso verstört wie ihr. Glaubt mir. Das war bei uns allen so. Unthank hat mich gezwungen, so eine seltsame rosa Tinktur zu trinken. Danach war mir so schlecht. Kaum war ich im Wald, musste ich mir schon die Seele aus dem Leib kotzen. Aber sobald ich mich zurechtgefunden hatte, bin ich losgewandert. Ich war fest entschlossen, die Freiheit zu bekommen – ich kannte ein paar Kinder in der Stadt, die mich aufnehmen würden, und natürlich war ich begeistert, aus der schrecklichen Fabrik entkommen zu sein. Aber ich stellte fest, dass ich – wie alle anderen auch – irgendwo unterwegs die Schnur verloren hatte, die Unthank mir gegeben hatte. Und egal wie lange ich rumlief, irgendwie bin ich immer wieder am selben Ort gelandet. Da bekam ich richtig Angst. Es war klar, dass ich in einer Art Labyrinth gefangen war. Deshalb habe ich nicht länger versucht raus zukommen, sondern habe mich konzentriert und bin stattdessen rein gegangen. Anders kann ich es nicht erklären. Und schließlich bin ich hier angekommen, bei diesem Haus. Es waren erst wenige andere Kinder da – Unthank hatte ja erst ein paar Monate vorher mit dieser Unadoptierbar-Sache angefangen –, und jede Menge Hunde.«
»Ja, was ist mit den Hunden?«, fragte Rachel, die noch immer abwehrend die Hände vor die Brust verschränkt hielt. Ein schwarzer Labrador versuchte, an ihrem Ellbogen zu lecken.
»Das sind Hunde aus der Umgebung, die ausgerissen sind. Dieser Ort ist eine Art Auffangstation für Hunde und Katzen, die von zu Hause weggelaufen und in die Undurchdringliche Wildnis geraten sind. Alle paar Monate oder so taucht ein neuer auf.«
»Wow«, murmelte Elsie. Sie sah ihre Schwester an. »Ich frage mich, ob Fortinbras hier ist.« So hieß ihr getigerter Kater, der im letzten Sommer verschwunden war.
»Du kannst gern nachsehen. Aber ich kann nichts versprechen. Jedenfalls«, fuhr Michael fort, »war Carol die ganze Zeit hier. Er kam schon Jahre vorher und hat dieses Haus entdeckt und instand gehalten. Er hat uns, die ganzen verlorenen Waisen, aufgenommen und uns ein echtes Zuhause gegeben. Ein bessere Zuhause, als ich es in der Außenwelt je hatte, das ist mal sicher.«
Eine herzliche, krächzende Stimme ertönte aus dem Haus. »Wer erzählt da
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