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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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klagenden Steel-Gitarre ertönten, und Joffrey Unthank nahm Desdemona Mudrak bei der Hand und tanzte mit ihr verliebt durchs Büro.
    »Was ist das?«, fragte Desdemona, die gerade aus dem Mädchenschlafsaal zurückgekehrt war, um zu berichten, dass die Landkarte, die Unthank gesucht hatte, nicht im Spind von Nummer dreiundzwanzig lag. Sie hatte mit unbändigem Zorn gerechnet – was sie bekam, war Countrymusik.
    »Süße«, gurrte Unthank, »lass dich einfach führen. Schritt. Schritt. Und ein Schritt zurück. Schritt. Schritt …«
    »Ja, ich kenne Twostepp«, sagte Desdemona. Sie hatte in einem ukrainischen Film über das Leben der Kunstschützin Annie Oakley die Hauptrolle gespielt, und während der Dreharbeiten in Odessa hatte ein amerikanischer Auswanderer den Schauspielern den Tanz beigebracht. »Ich wollte fragen, warum?«
    Ihr Lebensgefährte, den sie seit dreizehn Jahren kannte, sah ihr in die Augen und sagte: »Ich habe es geschafft.«
    Desdemona machte große Augen. Sie trat ihm beinahe auf die Zehen. »Sind Mädchen zurückgekommen?«, fragte sie.
    »Nein, nein, nein«, sagte er. »Das alles, das ist jetzt vorbei. Erledigt. Es gehört der Vergangenheit an.«
    »Und was ist Zukunft?« Sie beäugte ihn skeptisch.
    »Das.« Ohne aus dem Takt zu geraten dirigierte er sie zum Schreibtisch, auf dem die Zeichnung des Möbius-Zahnrads lag. Desdemona kam kaum dazu, einen Blick auf das Ding mit der Hieroglyphenschrift und den rätselhaften Diagrammen zu werfen, ehe Unthank sie in einer schwungvollen Acht auf die andere Seite des Zimmers beförderte.
    »Was ist das?«, fragte sie und schnappte nach Luft.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Unthank vergnügt. »Aber ich werde es bauen.«
    »Liebling«, schalt ihn Desdemona, »ich bin ganz verwirrt.«
    »Keine Sorge, Süße«, sagte Unthank. »Wenn wir erst in Saus und Braus leben, brauchst du dich um nichts mehr zu sorgen. Oder genauer gesagt: Wenn wir von den Reichtümern der Undurchdringlichen Wildnis leben.«
    »Was heißt das? Was ist passiert?«
    Er wirbelte sie herum, sodass sie beide nach vorn blickten, und sie vollführten eine Promenade um den Zahnarztstuhl in der Mitte des Zimmers. »Sagen wir einfach, der › Geist der zukünftigen Weihnacht‹ hat mir einen Besuch abgestattet. Und nächstes Jahr werden wir reich beschenkt werden.«
    »Ich verstehe immer noch nicht.«
    »Süße, noch zwei Monate, dann leben wir wie die Maden im Speck. Der alte Wigman wird mir aus der Hand fressen, wenn die Karten erst verteilt sind.«
    »Schluss mit Metaphern!«, schrie Desdemona.
    Unthank lächelte. »Dieser Mann, der Mann, der möchte, dass ich dieses Zahnrad baue, wird mich in die Undurchdringliche Wildnis bringen. Und nicht nur das, er wird mir auch die Kontrolle darüber verschaffen. Soweit ich das absehen kann. Und dann: keine traurigen Fabrikhallen, keine jammernden Kinder, keine nervigen Eltern mehr. Es werden Milch und Honig fließen und literweise Champagner. Gute Zeiten, metaphorisch gesprochen.«
    Desdemona lächelte zögerlich. »Und ein Filmstudio? Was ist mit Filmstudio?«
    »Pah! Dessie, Süße, du wirst die Königin sein. Du musst keine dämlichen Filme mehr machen. Herablassende Regisseure, verwöhnte Produzenten, eingebildete Kollegen. Wer braucht die schon? Und Los Angeles, diese alte Drecksstadt. Das ist nicht gut genug für dich, Süße. In der Undurchdringlichen Wildnis wirst du genug damit zu tun haben, Kaviar vom Palmenblatt zu schlürfen. Oder so was in der Art.«
    Desdemona brach abrupt ihren Tanz ab, während die Musik weiter lief. »Dämliche Filme? Herablassende Regisseure? Los Angeles eine Drecksstadt? Joffrey, das ist mein Lebenselixier.«
    »Hör zu, ich …«
    »Nein, jetzt du hörst mir zu. Nichts interessiert mich weniger als Undurchdringliche Wildnis. Das ist nur Erde. Und Bäume. Jahrelang habe ich mir dein Geschrei angehört, dass du reinwillst, weil ich dachte, es ist dein Hobby, und jeder Mann sollte Hobby haben. Boris Nudnink, großer ukrainischer Schauspieler, hatte auch Hobby: Er hat Denkmäler aus Sowjetzeit mit Legosteinen nachgebaut. Das ist albern, oder? Aber wer sind wir, dass wir uns Urteil erlauben? Es tut ihm gut. So sehe ich auch deine Undurchdringliche Wildnis. Sputnikdenkmal aus Lego. Aber ich habe mitgemacht und Transponder getragen und aufgepasst, dass Mädchen und Jungen nicht weglaufen. Das habe ich für dein Hobby getan.«
    Unthank war still geworden. Er lauschte dem Wortschwall folgsam wie ein Schoßhündchen. Im

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