Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
Vom Netzwerk:
ist.«
    Für die Ewigkeit eines Augenblicks riss Joffrey Unthank sich von dem Gegenstand los, den er in der Hand hielt, und konzentrierte sich auf seine derzeitige Umgebung: die Fabrikhalle. Das mechanische Gurgeln der diversen Apparate lag in der Luft. Die Fenster waren dunkel. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war oder wie lange er schon genau so dastand. Ja, es war, als wäre alles in seinem Kopf im Bruchteil einer Sekunde ausgelöscht worden. Als er jetzt an sich hinuntersah, stellte er fest, dass er die Hände auf Bauchhöhe fest geschlossen hielt, wie ein Priester vor dem Altar. Und dann fiel ihm alles wieder ein.
    »Mr. Unthank?«, ertönte die Stimme erneut. Es war eindeutig Mr. Grimble.
    »Ja, Grimble«, antwortete Joffrey.
    »Dann bis morgen.«
    »Genau, Grimble.«
    »In alter Frische.«
    »In alter Frische, Grimble.« Mit einem Schlag wusste Joffrey es wieder. Er blickte auf seine geschlossenen Hände. Dann öffnete er sie langsam und sah darin einen Gegenstand. Er war aus Messing. Und er war fast perfekt. Das Genaueste und Vollkommenste, was er jemals in seiner Laufbahn als Hersteller von Maschinenteilen hervorgebracht hatte. Dieser Gegenstand allein konnte den hartgesottensten Mechaniker zum Weinen bringen, so makellos waren die diamantgeschliffenen Zähnchen, die glatte parabelförmige Krümmung. Es sich in der ihm zugedachten Funktion vorzustellen, nahtlos mit seinen Geschwistern in einem fließenden Tanz dahingleitend, hieß, das Göttliche selbst zu erblicken.
    Und doch war er nur fast perfekt. Nicht perfekt genug.
    Unthank drehte sich um und warf ihn in den nächsten Mülleimer, wo seine Landung durch einen Haufen gleichermaßen fast perfekter, aber gleichermaßen ausgemusterter Zahnräder abgedämpft wurde. Ein zartes, trauriges Klonk! ertönte.
    »Morgen haben Sie mehr Glück, was, Mr. Unthank?«
    »Ja, Grimble.« Dann fragte Joffrey: »Was ist morgen für ein Tag?«
    »Na, Mittwoch, Mr. Unthank.«
    »Mittwoch.« Joffrey wiederholte das Wort leise, als wäre es eine Zauberformel. Es hatte einen besonderen Klang, denn es war der letzte Tag seiner Anstrengungen. Der seltsame Mann mit dem Kneifer würde zurückkehren und seine fertiggestellte Ware erwarten. Unthank hatte noch nie einen Kunden enttäuscht, er hatte seine Wettbewerber sogar stets in Bezug auf Qualität und Geschwindigkeit übertroffen. Die Menge an Versuchen und Fehlversuchen bei der Schaffung dieses einzelnen Stücks war zermürbend für ihn. Unablässig kreisten die Gedanken in seinem Kopf: Warum hatte er überhaupt eingewilligt? Die gesetzte Frist war absurd. Etwas so Exaktes in so kurzer Zeit herzustellen. Selbst mit den ihm zur Verfügung stehenden, modernsten Maschinen war er zwar sehr nahe drangekommen, aber eben nicht nah genug. Er war ein praktisch denkender und fleißiger Mann. Was hatte ihn nur dazu getrieben, einen solch aberwitzigen Auftrag anzunehmen?
    Mit einem Wort: Monomanie. Es war ein Wort, das Joffrey in der Schule gelernt hatte. Damals hatte der Lehrer die Worte »MOBY DICK« in großen weißen Buchstaben an die Tafel geschrieben. Der Kapitän des Schiffs in dem Roman von Herman Melville war monomanisch in seinem Wunsch gewesen, den weißen Wal Moby Dick zu fangen. Jede Entscheidung, die er traf, stand in Bezug zu dieser allumfassenden fixen Idee, und am Ende war sie sein Verderben gewesen. Mit kalter Klarheit stand Joffrey die Erkenntnis plötzlich vor Augen, es war, als hätte jemand einen hellen, unbarmherzigen Scheinwerfer auf sein Gesicht gerichtet. Seine Eitelkeit war offenkundig geworden. Er war der Kapitän dieses Schiffs, und sein weißer Wal war die Undurchdringliche Wildnis. Zum Umkehren war es bereits zu spät, die Harpune war geworfen. Die Leine zog sich straff.

    Septimus stand da, die Pfoten auf dem Griff seiner Stopfnadel, und schüttelte den Kopf. Curtis starrte die Maulwürfin ungläubig an, wohingegen Prue sich zusammenreißen musste, um die Sibylle nicht vor Freude hochzuheben und zu schütteln. Nur Gwendolyns zu Tode erschrockene Miene, als sie spürte, was vor sich ging, hielt sie davon ab. Stattdessen versetzte sie der Maulwürfin glücklich mit der Fingerspitze einen Klaps auf die Schulter.
    »Ich kann es nicht fassen!«, sagte sie. »Das ist ja verrückt!«
    Obwohl sie immer noch verwirrt von dem plötzlichen Gefühlsausbruch der Oberirdischen war, stellte sich die Sibylle bereitwillig der Flut von Fragen, die darauf folgte.
    »Dann war er also ein Handwerker, ein Mechaniker?«,

Weitere Kostenlose Bücher