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Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy , Carson Ellis
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sein.«
    Unthank verzog die Lippen zu einem Lächeln. Hinter ihm war das Waisenhaus zu sehen. Gesichter pressten sich an die Fenster, die Gesichter von Kindern, die gespannt diese Auseinandersetzung beobachteten. »Ach, kommt schon«, sagte Joffrey. »Wo wollt ihr denn hin?«
    Die Kinder antworteten nicht. Hinter ihnen schwankten die hohen Bäume im Wind.
    »So ist es«, sagte Unthank. »Nirgendwohin. Und jetzt vergessen wir unsere kleinen Streitigkeiten und gehen alle zusammen zurück ins Haus. Und dort kann ich euch dann einzeln untersuchen, um zu sehen, welche Wirkung …«
    »Wir sagten, wir kommen nicht mit«, sagte Martha Song. »Und Sie können entweder da stehen bleiben und sich von einem Haufen wütender Waisen niedertrampeln lassen, oder Sie gehen aus dem Weg.«
    Noch bevor Unthank Gelegenheit zu einer Erwiderung hatte, tauchten zwei weitere Männer auf. Sie sahen aus, als wären sie aus zwei völlig unterschiedlichen Epochen angereist. Einer war sportlich und breitschultrig, trug einen eng sitzenden Anzug und strahlte Modernität aus. Der andere war spindeldürr und wirkte wie aus einer fernen Ecke des neunzehnten Jahrhunderts gefallen. Er rückte im Gehen einen Kneifer auf seiner Nase zurecht.
    »Was geht hier vor, Joffrey?«, fragte der breitschultrige Mann.
    »Meine Unadoptierbaren, Mr. Wigman«, sagte er, ohne die Kinder aus den Augen zu lassen. »Sie sind rausgekommen. Irgendwie.« Das letzte Wort wiederholte er noch einmal etwas leiser. »Irgendwie.«
    Wigman musterte die Kinder eingehend, dem Anschein nach wog er die Tragweite dieser Entwicklung ab. In der kurzen Pause überlegte Elsie, wie lächerlich sie aussehen mussten, alle um einen alten Mann mit Holzaugen gedrängt, alle in denselben schmutzigen Overalls und mit gelben Etiketten in den Ohren. Sie glaubte, in der Miene des Mannes einen Anflug von Mitleid zu entdecken, die Erkenntnis, dass Unthanks Bemühungen aus dem Ruder gelaufen waren.
    »Das ist doch sinnlos, Joffrey«, sagte er endlich. Der Wind zupfte an seiner Krawatte, und seine perfekt gestriegelten Haare gerieten leicht in Unordnung. »Lassen Sie die Kinder gehen.« Beifall heischend sah er sich zu dem dritten Mann um, der den Kopf nach vorn geschoben und die ganze Zeit an seinem Kneifer herumgenestelt hatte. Er schien völlig gefesselt von einem bestimmten Mitglied der Gruppe.
    »Carol Grod!«, rief er dann.
    Der alte blinde Mann spitzte die Ohren, und seine Miene verfinsterte sich.
    Entgeistert drehten Unthank und Wigman sich um und starrten Roger an. »Das ist – er?«, stammelte Unthank.
    Elsie wiederum blickte Carol eindringlich an. »Wer ist das?«, fragte sie und meinte damit den seltsam gekleideten Mann.
    »Roger Swindon, so wahr ich hier stehe«, antwortete Carol trotzig. »Darf ich vorstellen, Kinder, das ist der Mann, der den Befehl, mir mein Augenlicht zu nehmen, ausgeführt hat.«
    Roger wirkte von dieser Anschuldigung ungerührt. »Aber das ist doch längst Vergangenheit. Es bringt doch nichts, alte Verletzungen noch einmal zu durchleben.«
    »Ich durchlebe sie nicht noch einmal, Roger«, erwiderte Carol. »Ich lebe jeden Tag damit.«
    Verlegen lächelte Roger Unthank und Wigman an, die sprachlos neben ihm standen. Dann wandte er sich erneut den Kindern zu. »Liefert ihn aus, ihr Knirpse«, sagte er mit dem Charme eines ungeduldigen Hundefängers.
    Endlich riss Unthank sich aus seiner Träumerei. »Das ist Carol Grod, der Mechaniker? Der Mann, der das Zahnrad gebaut hat?«, fragte er, obwohl es mehr nach einer Aussage klang, von der er hoffte, sie würde sich als falsch erweisen. Er konnte einfach nicht glauben, dass er solches Glück hatte.
    »Ja, Mr. Unthank«, sagte Roger. »Genauer gesagt einer der beiden. Damit haben wir schon die halbe Miete.«
    Wigman, der rasch eins und eins zusammenzählte, betrachtete die Kinderschar nun mit ganz neuen Augen. »Hört auf ihn, Kinder. Gebt uns den alten Mann.« Er überlegte kurz, kam dann aber wohl zu dem Schluss, dass das Bedrohen von Kindern in der Industriewüste ein durchaus akzeptables Verhalten darstellte, denn er ergänzte: »Dann passiert auch niemandem was.«
    »Sie sind derjenige, dem was passieren wird«, sagte Martha.
    Die anderen Kinder bekräftigten das murmelnd, und Rachel stellte sich neben Martha und sah die Männer herausfordernd an. »Nach meiner Rechnung sind wir achtunddreißig gegen drei«, sagte sie. »Deshalb werden wir jetzt über die Brücke gehen, ganz einfach. Und Sie stellen sich uns besser nicht

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