Wildwood - Das Geheimnis unter dem Wald: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
auf eine Antwort. »Laika!«
»Das war ein Hund«, sagte Martha.
»Egal. Ein sehr berühmter Hund.«
»Und ist er nicht gestorben?«, hakte sie nach.
Unthank warf ihr nur einen bösen Blick zu.
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Rachel. »Was machen Sie mit uns?«
Unthank machte eine Pause, als würde er seine Gedanken ordnen. Er kniete sich vor die drei Mädchen wie ein stolzer Vater, der seinen Nachwuchs nach einem gelungenen Gedichtvortrag begutachtet. »Mädchen«, sagte er. »Mädchen.«
Elsie machte diese Wendung misstrauisch. Seine frühere Wut und Enttäuschung schien sich vollkommen verflüchtigt zu haben.
»Ich habe einen Traum«, fuhr Unthank fort. »Ein großes Ziel. Und mit eurer Hilfe werde ich es erreichen.« Er wandte den Blick nach rechts, wo mehrere hohe Fenster das graue Licht des Wintertages hereinließen. In der Ferne waren ein paar Bäume durch die beschlagenen Scheiben zu erkennen. Unthank stand auf, stellte sich vor die Fenster und sah hinaus. »Dort draußen.« Er deutete auf die Bäume. »Dort draußen gibt es eine riesengroße Fläche unberührter, unversperrter Ressourcen. Bäume. Mineralien. Land . Tausende und Abertausende Hektar davon. Diese sogenannte Undurchdringliche Wildnis, dieses ungezähmte Gebiet, das zu erobern bisher kein Mann und keine Frau den Mumm und die Gerissenheit hatte – nun, ich beabsichtige, als derjenige in die Geschichtsbücher einzugehen, der endlich die Herausforderung angenommen und diesen Ort erschlossen hat.« Die Farbe in seinem Gesicht wurde kräftiger, er wurde immer aufgeregter. Nun rannte er zum Schreibtisch, zog einige Landkarten aus dem hohen Papierstapel und wedelte damit in der Luft. »Seht euch das an«, sagte er. »Ich meine: Dort gibt es keine Grundbucheinträge, keine Landvermessung, keine Grundsteuern. Man könnte fast meinen, es existiert nicht! Und doch liegt dieser Wald genau vor unserer Nase, vor den Toren unserer Stadt, und verhöhnt uns. Spielt mit uns. Als würde er uns seine riesige grüne Zunge herausstrecken.«
Die Mädchen starrten den Mann einfach nur an.
»Und ich bin so nah dran – so nah!« Er hielt Daumen und Zeigefinger wenige Zentimeter voneinander entfernt. »In der vergangenen Woche hatte ich ein paar Ideen, ein paar › Heureka-Momente‹, wie wir Wissenschaftler sagen. Ich dachte schon, ich müsste abwarten und ihre Verwirklichung auf mehrere Wochen verteilen, bis nach und nach wieder einige Kinder unadoptierbar würden. Aber jetzt habe ich gleich drei auf einmal. Drei perfekte unadoptierbare Kinder, an denen ich die Früchte meiner Forschung ausprobieren kann.«
Elsie konnte nicht länger stillhalten. »Mr. Unthank«, sagte sie flehend. »Unsere Eltern holen uns in weniger als einer Woche wieder ab. Bitte lassen Sie uns gehen. Unsere Eltern glauben, wir wären hier in Sicherheit.«
»Eltern.« Er stutzte, als müsste er sich an die Bedeutung des Wortes erinnern. »Euch abholen?« Er sah Desdemona an.
»Das stimmt«, sagte Miss Mudrak frostig.
Rachel mischte sich ebenfalls ein. »Ja, sie haben uns hier nur in Pflege gegeben, weil sie in die Türkei mussten, um nach meinem Bruder zu suchen. Sie kommen echt bald zurück. Außerdem ist mein Vater sehr groß und stark und sehr geschickt mit Messern.«
»Mit Messern?«, rutschte Elsie heraus. Rachel sah sie nur vernichtend an.
»Tja«, meinte Unthank. »Das klingt Furcht einflößend. Was ist mit dir? Sollten wir uns um deine Eltern auch Sorgen machen?« Das war an Martha gerichtet.
Desdemona antwortete für sie: »Die Chinesin ist Waise.«
»Mein Name ist Martha«, verbesserte sie das Mädchen wütend. »Und ich bin Koreanerin.« Dann sackte ihre Stimme traurig eine Oktave tiefer. »Meine Eltern kommen mich nicht holen.«
»Na, das ist doch günstig«, sagte Unthank. Er blickte wieder die Mehlberg-Schwestern an. »Was euch beide betrifft, muss ich euch leider mitteilen, dass euren Eltern die Geschäftsbedingungen für Heimkinder wohlbekannt sind. Ich zeige es euch.« Er wühlte in einem überfüllten Aktenschrank und kehrte mit einem Zettel zurück. Es war eine Art Antrag, und oben auf dem Papier standen – in der Handschrift ihrer Mutter – Elsies und Rachels Namen. Sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater hatten das Dokument unterzeichnet. Mit dem Finger fuhr Unthank über einen Textabschnitt unter der Unterschriftszeile, der so klein gedruckt war, dass er praktisch unlesbar war.
»Hier seht ihr es, ganz unten, da heißt es, und ich zitiere: › Die
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