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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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gefährlich!«

    Oben in ihrem Zimmer versuchte Prue, sich in Superheldengeschwindigkeit umzuziehen. Die Kiste mit den Runensteinen schob sie in die Kängurutasche ihres Kapuzensweatshirts. Die Steine klapperten. Prue wusste, dass die Kojoten der Gouverneurin die Eisenbahnbrücke bewachen würden; also musste sie diese Geisterbrücke rufen. Es war der einzige Weg über den Fluss. Als sie sich umdrehte, standen ihre Eltern in der Tür.
    »Denk doch nach, Prue«, flehte ihre Mutter. »Die Sache ist zu groß für dich. Am Ende passiert dir noch was!«
    »Hör auf deine Mutter«, sagte ihr Vater streng.
    Prue hielt kurz inne und blickte von einem zum anderen; die Mienen ihrer Eltern waren voller Sorge. »Nein«, sagte sie, quetschte sich zwischen ihnen durch und ging wieder nach unten. Die beiden waren starr vor Schreck. Prue hörte halblautes Flüstern von oben. »Tu doch was!«, sagte einer. »Ich probier es ja«, der andere.
    Kaum hatte sie die Küche betreten, da polterten ihre Eltern die Treppe hinunter, und ihr Vater dröhnte: »Prue, als dein Vater verbiete ich dir das. Du gehst nicht, ich wiederhole: nicht in diesen Wald zurück.«
    Sie fühlte seine kräftigen Finger auf ihrem Oberarm und wurde nach hinten gerissen.
    Entgeisterte Stille folgte, währenddessen Prue und ihr Vater einander anstarrten; noch nie war er so grob zu ihr gewesen. Sämtliche
Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Prue nahm all ihren Mut zusammen, schüttelte seine Hand von ihrem Arm ab und sah ihren Eltern trotzig ins Gesicht.
    »Lasst das«, sagte sie mit finsterem Blick. »Sagt mir gefälligst nicht, was ich tun kann und was nicht. Nicht jetzt. Nicht nach allem, was ihr gemacht habt.«
    Ihr Vater blickte sie resigniert an und stammelte eine Entschuldigung, doch Prue winkte zornig ab.
    »Ich liebe euch beide«, fuhr Prue fort. »So sehr. Eigentlich müsste ich euch jetzt hassen, aber das tue ich nicht. Ich hasse euch nicht.« Ihre Wut verwandelte sich in bestürztes Mitleid für diese beiden Erwachsenen, die da stumm vor ihr standen. Plötzlich wirkten sie auf Prue wie zwei verwirrte, ängstliche Kinder. »Aber ihr habt diese Sache wirklich vermasselt, oder? Ich meine, was habt ihr euch dabei gedacht? «
    »Lass mich gehen«, sagte ihr Vater nach einer Weile. »Schließlich ist es meine Schuld. Ich bin hier der Verantwortliche. Sag mir einfach, wo ich hinmuss. Ich hole Mac zurück.«
    Entnervt verdrehte Prue die Augen. »Ich wünschte, du könntest es«, sagte sie. »Ich würde dich echt total gern hinschicken. Das geht nur leider nicht. Lange Geschichte, aber ich glaube, dass nicht jeder einfach in den Wald reingehen kann. Aber ich schon. Hat irgendwas mit einem Peripheriezauber oder so zu tun. Ist ja auch egal. Außerdem«, sie blickte zwischen ihren Eltern hin und her, »kann ich mich
ja wohl bei Mac bedanken, dass ich überhaupt auf der Welt bin. Ohne ihn wäre ich doch nie geboren worden, oder?«
    Dann fuhr Prue mit lauter und fester Stimme fort: »Ich werde meinen Bruder zurückholen. Und damit basta .«
    Sie drehte sich um und stapfte durch die Küche in den Garten zu ihrem demolierten Fahrrad. Unter der Veranda fand sie den roten Werkzeugkasten ihres Vaters und suchte darin nach dem Maulschlüssel. Im Haus hörte sie ihre Mutter leise weinen. Endlich fand sie das Werkzeug und machte sich daran, das verbogene Vorderrad abzumontieren.
    In Erwartung eines herrlichen Fahrradsommers hatte sie im letzten Frühjahr Vorder- und Hinterrad durch neue Räder ersetzt, die alten aber wegen ihres guten Zustands noch aufgehoben. Nun war sie dankbar für diese weise Voraussicht, staubte die alte Felge ab und spannte die Nabe in die Gabel ein. Innerhalb von Minuten war das Fahrrad wieder fahrtüchtig.
    Ihr Vater tauchte in der Verandatür auf. Sein Körper warf einen Schatten über den Rasen und Prue blinzelte zu seiner dunklen Silhouette hinauf.
    »Tu das nicht, Prue«, sagte ihr Vater. Er klang schwach, müde. »Wir können glücklich sein, wir drei.«
    »Ciao, Papa«, erwiderte sie. »Wünsch mir Glück.« Damit stieg sie aufs Fahrrad und fuhr los.

NEUNZEHN
Flucht!
    B ist du dir wirklich sicher?«, fragte Septimus und schielte argwöhnisch nach dem gedrehten Seil. Es war schon fast durchgekaut; nur ein kleiner Teil war noch ganz.
    »Ja«, zischte Curtis ungeduldig. »Tu es einfach. Und zwar schnell! Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns bleibt, bis der Wärter zurückkommt.«
    »Ich hab ihn, Ratte, keine Sorge«, sagte Seamus. Das Sprechen fiel

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