Wildwood
ihm etwas schwer, da er bäuchlings auf dem Käfigboden lag, die Arme unbequem zwischen den Gitterstäben durchgestreckt, die
Finger um die oberen Stangen von Curtis’ Käfigzelle geklammert. Es hatte etwas gedauert, diese Position hinzukriegen, aber nach ein paar Minuten beherzten Schaukelns war der Käfig in Seamus’ Reichweite gekommen, und jetzt hielt er das knotige Holz fest in seinen Händen.
Septimus warf einen raschen Blick auf Seamus, dann zuckte er die Achseln und widmete sich dem Seil, um die restlichen Fasern durchzunagen. Unterdessen stand Curtis breitbeinig da und stützte sich an den Käfigstangen ab. Aufmerksam beobachtete er die Ratte bei der Arbeit.
»Wie lange noch?«, fragte er nach einer Weile.
Septimus hielt inne und zog den Kopf zurück, um sein Werk zu begutachten. »Nicht mehr lange«, sagte er. »Ehrlich gesagt, verstehe ich gar nicht, warum es nicht schon …«
In diesem Moment zerriss das Seil mit einem leisen, fast höflichen Schnalzen. Der Käfig löste sich aus seiner Verankerung, sodass die Ratte an dem Seilrest baumelte, der noch an der Wurzel hing. Curtis hielt die Luft an, als er spürte, wie seine Käfigzelle in den freien Fall ging. Der Höhlenboden schien aufwärts zu kreiseln, die Steine und Knochensplitter riefen nach seinem Blut – bis die Abwärtsbewegung mit einem Ruck gebremst wurde und aus Seamus’ Käfig ein schmerzvolles Stöhnen drang. Curtis hob den Kopf; Seamus’ Fäuste waren immer noch um die Stangen seiner Zelle gekrümmt, die Knöchel weiß vor Anstrengung.
»UFF!«, ächzte Seamus vernehmlich. »Das ist gar nicht so leicht, wie es aussieht!« Er schob die Finger langsam über die Holzstäbe, um nach einem besseren Griff zu suchen.
»Gut festhalten, Seamus«, ordnete Curtis an. »Und jetzt musst du dich langsam zum Seil hocharbeiten.«
Vorsichtig setzte Seamus eine Hand über die andere. Bei jeder Bewegung erzitterte der Käfig, und Curtis versuchte angestrengt, nicht auf den Höhlenboden tief unter sich zu sehen. Schließlich erreichte Seamus die Stelle, an der das Seil an Curtis’ Käfigdach befestigt war, ließ die Stäbe los und packte das Seil. Erneut stöhnte er auf, als das Gewicht des Käfigs an den Hanffasern zog.
Das Ächzen verwandelte sich jedoch in ein Prusten, als Seamus krächzte: »Ha! Hast wohl gedacht, ich lass dich fallen, Kleiner?«
Curtis’ Puls trommelte einen hektischen Stepptanz in seinen Ohren. Er versuchte, lässig aufzulachen, was ihm allerdings nicht gelingen wollte. Seine Stimme brach beim ersten Gluckser.
Seamus wurde wieder ernst, sein Gesicht war dunkelrot. »Also gut, weiter zu Angus?«, fragte er.
Curtis nickte.
Seamus blies die Wangen kugelfischartig auf und begann, Curtis’ Käfig an den verbliebenen drei Metern Seil hin und her zu schwingen. Bei jedem Schwung sackte Curtis’ Magen ab, während der Pendelbogen immer größer wurde. Am Scheitel jedes Aufwärtsschwungs konnte er knapp zwei Meter über sich Angus erkennen,
der bäuchlings auf seinem Zellenboden lag, die Arme zum Fangen ausgestreckt.
»Und … JETZT!«, rief Curtis.
Seamus brüllte laut, als er den Käfig hoch in die Luft wuchtete und Curtis in seiner fliegenden Holzzelle in die wartenden Hände von Angus schleuderte.
Mit weit aufgerissenen Augen reckte Angus die Finger und griff nach den Käfigstangen.
Erster Versuch: daneben.
Zweiter Versuch: daneben.
In diesem Moment fühlte sich jeder Bruchteil eines Bruchteils eines Bruchteils einer Sekunde an wie Minuten, Stunden, Ewigkeiten.
Dritter Versuch: Beide Hände schlugen wild nach dem Käfig, und Curtis’ Sturzflug wurde ruckartig aufgehalten, als Angus’ Finger das Seil umschlangen.
Angus stieß einen heroischen Seufzer der Erleichterung aus. Es klang wie ein Ozean, der einen Damm durchbricht.
»Oh. Mein. Gott.«, ächzte Curtis.
Hinter ihnen lachte Seamus. »Damit hat dein Gott gar nichts zu tun! Das waren die geschickten Hände eines Räubers! Gut gefangen, Angus!«
Angus blieb stumm. Seine Augen waren geschlossen. »Ich glaube, ich hab mir in die Hose gemacht«, flüsterte er schließlich.
Jetzt erlaubte sich Curtis zum ersten Mal wieder, nach unten zu schauen. Der Abstand zum Boden betrug immer noch mindestens fünfzehn Meter, und genau unter seinem Käfig lag ein Steinhaufen mit einem besonders scharfkantig aussehenden Felsbrocken an der Spitze. Er beäugte die Leiter an der Wand. Curtis war zwar nicht unbedingt die größte Leuchte in Physik, aber falls seine Einschätzung
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