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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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sich als richtig erwies, dann könnte er – wenn Angus den Käfig bis zum höchstmöglichen Punkt schwang und gleichzeitig auch mit seiner eigenen Zelle pendelte – mit einem Sprung die Leiter erreichen.
    »Und dann klettere ich einfach runter«, sagte er laut.
    »Wie war das?«, fragte Angus gepresst. Er war voll damit beschäftigt, das Seil festzuhalten, und hatte es geschafft, sich das Ende einmal ums Handgelenk zu wickeln. So sah es nach einem stabilen Griff aus.
    »Ich sagte, ich klettere einfach die Leiter runter«, erklärte Curtis. »Wenn ich draufgesprungen bin.« Er blickte hoch zu Angus. »Aber du musst mich so hoch schaukeln, wie du nur kannst – und deinen eigenen Käfig auch.«
    »Das wird der leichteste Teil, Junge«, sagte Angus lächelnd. »Du musst aber einen ganz schönen Satz machen.«
    Curtis nickte ernst. »Okay. Augen zu und durch.« Daraufhin probierte er Septimus’ Schlüssel in seinem Schloss aus, einen nach dem anderen. Ein langer, silberner Buntbartschlüssel stellte sich als der
richtige heraus; er entriegelte die Tür mit einem dumpfen metallischen Klick , und Curtis stieß sie auf. Weit unter ihm schwankte der Boden – war das etwa ein zerschmetterter Schädel auf dem Stein dort? Schnell machte er die Augen zu und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Er setzte die Fußballen auf die Kante des Käfigbodens in der nun offenen Zellentür und umklammerte mit den Händen die äußeren Gitterstäbe.
    »Los«, sagte er.
    Über ihm holte Angus tief Luft und fing mit einem Grunzen an zu schaukeln. Anfangs beschrieb Curtis’ Käfig nur kleine Bögen, doch schon bald nahm er mehr Fahrt auf. Auch Angus’ Zelle kam ins Schwingen, und binnen Kurzem bildeten die beiden Holzkäfige ein langes Gelenkpendel, das durch die Kuppel der Höhle segelte. Bei jeder Aufwärtsbewegung schätzte Curtis die Entfernung zur Leiter neu ab.
    »Noch ein bisschen höher, Angus!«, rief er.
    »Alles klar!« Angus sehnige Arme beugten sich mit jedem Schwung noch etwas mehr. Kurz darauf verkündete er: »Ich glaube, höher geht’s nicht!«
    Curtis beäugte die Leiter, während er darauf zusauste. Sie war etwas weiter weg, als er gehofft hatte, aber egal.
    »Okay, Angus«, sagte er. »Wenn ich ›los‹ rufe, musst du den Käfig mit aller Kraft hochschleudern.«
    »Alles klar.«

    Ein paar Käfige weiter bemerkte Eamon aufmunternd: »Das ist wie Hammerwerfen – das hast du schon hundert Mal gemacht!«
    »Schon, aber dabei lag ich noch nie flach auf dem Bauch!« Angus wartete auf den Befehl.
    »Okay … LOS!«, rief Curtis und schon war sein Käfig in der Luft. Curtis wartete, bis er den höchsten Punkt erreicht hatte – was innerhalb von Sekundenbruchteilen passierte –, und stieß sich dann mit Armen und Beinen von der Käfigöffnung ab. Ehe er sichs versah, hatte er den Abgrund zwischen Käfig und Leiter überwunden und knallte gegen das raue Holz der Sprossen. Seine Hände tasteten nach Halt. Sein linker Fuß landete mitten auf der sechsten Sprosse von oben. Schon wollte er eine Erfolgsmeldung brüllen, da spürte er plötzlich, wie sich sein Schwerpunkt verlagerte – und die Leiter sich langsam von der Höhlenwand entfernte.
    »OH, OH, OH!«, schrie er, während das zwanzig Meter hohe, wackelige Holzgerippe allmählich nach hinten kippte.
    »Ach du Schande«, sagte einer der Räuber tonlos.
    Zunächst schien die Leiter samt Curtis wie in Zeitlupe umzufallen – bis sie genau in der Senkrechten kurz im Gleichgewicht verharrte und dann rasant nach unten stürzte.

    Jetzt raste der Boden in Windeseile auf Curtis zu, und die verstreuten Knochenteile schienen den Neuzugang ihrer Sammlung jubelnd zu empfangen.
    Doch dann kam die Leiter zum Stillstand. Plötzlich, schlagartig. Curtis hing jetzt kopfüber mit dem Rücken zur Erde, den linken Arm verzweifelt in eine Sprosse verhakt. Sein linkes Bein hatte er über den Seitenholm geschlungen, und das Holz schnitt ihm in die abgewinkelte Kniekehle. Die Augen hielt er fest zugekniffen.
    Da hörte er das dröhnend laute Lachen der Räuber, ein kehliges, erleichtertes Lachen.
    Also öffnete er vorsichtig die Augen und sah, dass die Leiter frontal gegen Angus’ Käfig geprallt war und die Metallhaken der obersten Sprosse sich praktischerweise in den Gitterstäben der Tür verfangen hatten.
    »So geht’s auch, Junge!«, rief Angus prustend vor Heiterkeit.
    Curtis atmete tief durch. »Das …« Seine Stimme versagte. »Genau das hatte ich vor.«

    Auf dem Asphalt lag ein

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