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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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verließ die Gefängnishöhle ohne einen Blick zurück.
    Die Luft im Tunnel war stickig und schwül. Die vier Räuber liefen völlig geräuschlos; nur die Schritte von Dmitri und Curtis waren in der Stille zu vernehmen. Curtis tat sein Bestes, um die weichen, flinken Bewegungen der Männer nachzuahmen, aber es fiel ihm schwer: Die Geschmeidigkeit schien ihnen geradezu angeboren, wie ein natürlicher Instinkt. Nach einer Weile erreichten sie eine Kreuzung.
    »Dmitri?«, rief Cormac leise. »Wo geht’s lang?«
    Dmitri quetschte sich an den Männern vorbei nach vorn und reckte die Schnauze in alle vier Gänge hinein. »Nach rechts«, sagte er schließlich. »Ins Waffenlager. Geradeaus kämen wir in die Haupthalle.
« Er sog die Luft ein. »Ich rieche erloschenes Feuer. Sie haben die Herdstelle verlassen. Eigenartig.«
    »Warum?«, fragte Curtis.
    Dmitri sah ihn an. »Das hab ich noch nie erlebt. Das Feuer lodert immer. Hatte mal zwei Wochen lang die unangenehme Aufgabe, es zu schüren. Kein Spaß.«
    »Ist ja jetzt auch egal«, meinte Cormac. »Gehen wir weiter.«
    Angus ging mit seiner flackernden Fackel voran, die einen gelben Lichtkreis auf die Tunnelwände warf. An der Decke wetteiferten Wurzelwerk und Felsblöcke miteinander um Raum; die lockere braune Erde des Bodens war von Pfotenabdrücken übersät.
    Curtis fiel etwas zurück und stolperte über den offenen Lederschnürsenkel seiner Stiefel. Er konnte den Sturz zwar gerade noch abfangen, stieß dabei jedoch ein lautes »UFF!« aus.
    »Pst!«, zischte Seamus. »Mach nicht so einen Lärm. Du hetzt uns noch die ganze Kojotenarmee auf den Hals.«
    »’tschuldigung!«, flüsterte Curtis. »Ich geb mir Mühe.« Allerdings verriet Seamus’ Miene eine gewisse Verwunderung. Es war seltsam, dass sie noch keinen einzigen Laut von ihren Bewachern gehört hatten; die Tunnel des Kojotenbaus waren überraschend still.
    Schließlich gelangten sie an eine weitere Kreuzung und bogen auf Dmitris Geheiß in einen kleineren Gang ein, der nach links führte. Er schlängelte sich eine Zeit lang durch die Erde und endete in einem engen Raum.

    »Wartet«, sagte Angus leise. Er hob die Fackel hoch, und ihr Licht fiel auf eine niedrige, einen Spalt breit geöffnete Holztür. »Ich höre was.«
    Alle hielten den Atem an. Ein Trippeln ertönte, der Klang kleiner Füße auf dem Erdboden.
    Da schoben sich die Schnurrhaare einer Rattenschnauze durch den Spalt. Es war Septimus. Mit einer Vorderpfote schob er knarrend die Tür auf.
    Cormac hielt sich mahnend den Finger an die Lippen, doch Septimus blieb ungerührt.
    »Er ist leer, Freunde«, sagte er. »Der Bau ist verlassen.«
    »Was?« Instinktiv flüsterte Cormac immer noch.
    »Weg. Verschwunden. Wupp .« Septimus spreizte die knochigen Finger seiner Pfote. »Wir brauchen nicht still zu sein. Niemand wird uns hören.«
    »Aber …«, war Dmitris Stimme von hinten zu vernehmen. »Die wollten mich einfach – vergessen? In dem Käfig?«
    »Und was ist mit uns, du Köter? Wir sollten schließlich auch da drin vergammeln«, sagte Seamus.
    »Ja, aber … ich meine, ihr seid der Feind«, erklärte Dmitri.
    »Sieht so aus, als wären der guten Witwe ihre eigenen Soldaten genauso egal«, stellte Angus fest. Die Räuber waren jetzt sichtlich entspannter; Seamus lehnte an der Wand und reinigte sich einen Fingernagel.

    Dmitri war fassungslos. »So ist es wohl«, sagte er langsam. »Und dabei saß ich nur wegen ›allgemeiner Unverschämtheit‹, was auch immer das heißt.«
    »Offenbar ein Kapitalverbrechen«, sagte Angus trocken.
    Septimus unterbrach sie. »Aber ihr sucht doch immer noch euren Räuberkönig, oder?«
    Cormacs Gesicht leuchtete auf. »Haben sie ihn zurückgelassen? Wo ist er?«
    »Mir nach.« Und schon war Septimus durch den Türrahmen verschwunden.
    Angus hob die Funken sprühende Fackel hoch, und die vier Räuber, Curtis und Dmitri folgten der Ratte durch den dunklen Gang.

    Sobald das letzte Glockenläuten verhallt war, saß Prue schon auf ihrem Fahrrad und trat wie eine Wilde in die Pedale – jetzt bereute sie ihren Wagemut, am Klöppel gezogen zu haben. Ein Wind war aufgekommen. Sie spürte, wie die kalte Luft vom Fluss über die Brückenkante aufstieg und die höchsten Seile der Aufhängung zum Schwanken brachte, sodass sie laut heulten. Das Pflaster schien sich unter den Fahrradreifen zu verschieben, und da die Brücke ja trotz allem nur eine Erscheinung war, richtete Prue den Blick fest auf das andere Ufer und gab

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