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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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Gas.
    Kaum hatten die Hinterräder des Anhängers den Boden der gegenüberliegenden Seite berührt, da ballte sich der Dunst erneut
zu einer gewaltigen Wolke zusammen und verschluckte die Brücke. Prue bremste abrupt ab, drehte sich um und sah, wie sich die grünen Stahltürme im Nebel auflösten. Als der Dunst sich wieder verzogen hatte, blieb nur das leere Flusstal übrig, das unüberwindbar unter ihr gähnte.
    Prue wandte sich dem Hügel vor ihr zu, betrachtete die wie eine Barriere hoch aufragenden Bäume und erschauerte. Die Sonne ging jetzt auf und leuchtete düster hinter einem schweren Wolkenvorhang hervor; ihr Licht schimmerte blaugrau auf den Tannen und Zedern des Waldes. Vögel sangen im Chor, die Luft war erfüllt von Melodien. Etwas unterhalb des Hügels entdeckte sie einen Trampelpfad, der in nördlicher Richtung parallel zum Fluss im Hang verlief. Vorsichtig schob sie das Fahrrad ein paar Schritte nach unten auf diesen Weg.
    Nach einer Weile wurde das Gelände deutlich flacher. Der Pfad grub sich in einem weniger steilen Winkel in den Abhang und zog sich durch die Büsche und kleinen Bäume, aus denen dieses Grenzland bestand. Prue stellte fest, dass sie jetzt sogar ganz bequem auf dem Fahrrad fahren konnte, wobei der hinter ihr herscheppernde rote Anhänger einen ziemlichen Lärm veranstaltete.
    Als sie das Gefühl hatte, weit genug gekommen zu sein, blieb sie stehen und schätzte ihre Position ein: Im Süden lag St. Johns als entfernter Fleck von Dächern, und die Eisenbahnbrücke war unter den wabernden Dunstschichten des Flusses praktisch nicht auszumachen.

    »Also wieder zurück«, seufzte Prue.
    Sie suchte den Hügel nach einer Öffnung im Gestrüpp ab; zwischen zwei dürren Hartriegelsträuchern fand sie eine Lücke, durch die sie tiefer ins Dickicht vordringen konnte. Eine Zeitlang manövrierte sie ihr Fahrrad samt Anhänger durch diese niedrige Vegetation und verzog dabei jedes Mal das Gesicht, wenn ein Dornenzweig sich an ihrer Jeans verfing. Dann lichtete sich schließlich das Unterholz und wich einem stattlichen Tannenwald. Der Boden zwischen den Bäumen war jetzt von flachen Gewächsen bedeckt: Waldsauerklee, Scheinbeeren und Wildblumen. Je länger sie unterwegs war, desto mehr graues Licht fiel durch die Wipfel, und so bemerkte Prue, dass eine der Waldwiesen, die sie überquert hatte, von Pflanzreihen gesäumt war – einem Gewirr von verdrehten Kürbis- und Bohnenranken. Da tauchte vor ihr ein stiller Kiesweg auf, und sie folgte ihm; er wand sich durch eine Reihe ähnlich bepflanzter Wiesen, deren Aufgeräumtheit die Wildheit des Waldbodens zähmte. Allmählich tauchten kleine, windschiefe Hütten auf, die sich zwischen die Bäume schmiegten und aus deren Steinkaminen Rauchfahnen wehten. Neugierig klappte sie den Fahrradständer aus und ging zu einem der Gärten, um ihn näher zu begutachten. Doch kaum hatte sie den Weg verlassen, da hörte sie hinter sich eine Stimme.
    »Keinen Schritt weiter«, sagte jemand fest und ruhig.
    Prue erstarrte.
    »Hände hoch«, befahl die Stimme.

    Prue hob die Hände über den Kopf.
    »Und jetzt umdrehen. Ganz langsam. Ich bin bewaffnet und schrecke nicht davor zurück, Gewalt anzuwenden«, warnte die Stimme. »So.«
    Prue schluckte und wandte sich vorsichtig um. Vor ihr auf dem Weg stand ein Hase. Ein Hase mit einer Mistgabel. Und einem Ding auf dem Kopf, das verdächtig nach einem Sieb aussah.
    »Leg deine Waffen nieder«, sagte der Hase.
    Prue starrte ihn verblüfft an. Er war braun gefleckt und reichte ihr, obwohl er auf seinen Hinterbeinen stand, nicht weiter als bis zum Knie. Das Sieb drückte ihm die langen Ohren seitlich am Kopf nach unten, was ziemlich unbequem aussah. Offenbar bemerkte er Prues Verwunderung, da er sich verlegen seinen Helm zurechtrückte. Jetzt ragte ein Ohr durch den Griff des Siebs nach oben. Wütend schwang er die kleine Mistgabel.
    »Ich sagte, Waffen niederlegen!«, rief er und fletschte zwei weiße, flache Zähne.
    »Ich bin unbewaffnet!«, sagte Prue endlich. Sie schüttelte die Hände. »Sehen Sie? Nichts.«
    Zufrieden schnüffelte der Hase in die Luft. »Wo kommst du her und was suchst du in Wildwald?«
    »Mein Name ist Prue. Ich bin aus der Außenwelt.« Nach einer kleinen Pause ergänzte sie: »Ich bin hier, um die Mystiker zu sprechen.«

    Der Hase zog eine Augenbraue hoch. »Aus der Außenwelt? Dachte ich mir doch gleich, dass an dir was komisch ist. So. Wie bist du hier reingekommen?«
    »Über den Fluss, aus St.

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