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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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Wölkchen eines Torffeuers
quollen. Vor der Tür waren mehrere kleine Tische aufgebaut, und der Fuchs forderte Prue auf, sich zu setzen.
    »Der Ratsbaum ist nicht weit von hier«, sagte der Fuchs. »Ich gehe voraus und sehe nach, ob sie nicht gerade meditieren. Außerdem musst du ja halb verhungert sein.«
    »Das bin ich tatsächlich«, sagte der Hase, »so.«
    »Das Mädchen, Samuel«, schalt ihn der Fuchs. »Das Mädchen.«
    Prue lächelte. »Gegen eine kleine Stärkung hätte ich nichts einzuwenden«, sagte sie. »Wobei Sie den Mystikern bitte sagen könnten, dass die Sache sehr, sehr dringend ist.«
    Der Fuchs nickte. »Selbstverständlich, aber ich kann nichts versprechen. Die Mystiker fällen ihre Entscheidungen meistens nicht sehr schnell.« Er hob eine Augenbraue. Dann schlug er einen schmalen Pfad ein, der vom Hauptweg abzweigte, und marschierte davon.

    Prue lehnte ihr Fahrrad an die Hausmauer der Gaststätte und setzte sich dem Hasen gegenüber an den Tisch. Ein junges Mädchen kam mit Speisekarten zur Tür heraus, doch als sie Prue sah, erbleichte sie. Zögernd blieb sie stehen, bis der Hase ihr winkte. »Sie wird schon nicht beißen«, sagte Samuel. »Zumindest nicht, solange ich
sie bewache.« Das Mädchen errötete und brachte ihnen die Karten. »Eine Flasche Wasser erst mal für die junge Dame«, bestellte der Hase. »Und für mich ein Glas von eurem Klatschmohnbier.« Das Mädchen nickte und ging zurück ins Haus.
    Der Nachmittag neigte sich warm dem Ende zu. Prue behielt den Pfad im Auge, über den der Fuchs verschwunden war. Da kam das Mädchen mit einer Karaffe Wasser für Prue zurück; vor Samuel stellte sie einen Becher trübes Bier ab. Der Hase, der die ganze Zeit die Speisekarte studiert hatte, hob den Kopf. »Ich nehme das geschmorte Gemüse mit Linsen.« Fragend sah er Prue an. »Und du? Geht auf die Gendarmerie.«
    Prue warf einen schnellen Blick auf die Karte. »Ich nehme die Kürbisklößchen. Und etwas Brot.«
    Die Kellnerin lächelte schüchtern, knickste und ging.
    Der Hase blickte ihr nach. »Du sorgst hier für ganz schöne Aufregung. Einfach so herzukommen«, sagte er und trank einen Schluck Bier. »Wir sind an solche Störungen nicht gewöhnt.«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Prue. »Es tut mir ehrlich leid. Das war nicht meine Absicht.« Sie machte eine kurze Pause, dann bemerkte sie: »Nordwald ist ganz anders als die anderen Orte in der Undurchdri… ich meine, im Wald.«
    »Und der Erde sei Dank, dass das so ist«, erwiderte Samuel. »Ich kann mir nicht vorstellen, in Südwald zu leben – ich hab einen Cousin im Handelsbezirk und bekomme manchmal Briefe von ihm. Verrücktes
Volk da unten. Bin heilfroh, dass Wildwald als Puffer zwischen denen und uns liegt.«
    Prue nickte, dann fragte sie: »Und wir gehen zum Ratsbaum? Hat der Fuchs etwas darüber gesagt?«
    »Mhm«, machte der Hase und wischte sich etwas Schaum von der pelzigen Lippe. »Der Ratsbaum. Ältester Baum des Waldes. Es heißt, er war vor allen anderen hier, vor jedem Tier oder Menschen. Seine Wurzeln sollen sich kilometerweit in alle Richtungen erstrecken, wie bei einem Pilz. Er kennt den Wald besser als jedes andere Lebewesen hier. Da treffen sich die Mystiker, so. Und alle Fragen und Anträge von Nordwald müssen dem Baum vorgelegt werden, bevor eine Entscheidung getroffen wird.«
    »Der Baum … spricht?«, fragte Prue. Ihr fiel die Radierung wieder ein, die sie in ihrem Zimmer in der Villa gesehen hatte – die Gestalten, die einen Kreis um den dicken Baum bildeten.
    »Das nicht gerade«, sagte er. »Dafür gibt es die Mystiker. Sie sind diejenigen, die ihn hören und seine Gedanken für den Rest von uns übersetzen können. Wobei den Mystikern zufolge nicht nur der Baum spricht: Alles spricht.« Er wedelte mit dem Arm über dem Kopf. »Jeder Strauch, jede Blume, jeder Farn.« Er zuckte die Achseln. »Aber das kann ich nicht beurteilen. Ich selbst hab noch nichts gehört, aber ich hab auch nicht so viel Zeit zum Üben wie andere.«
    »Üben?«

    »Meditation. Das ist angeblich der Schlüssel. Den eigenen Geist in totaler Stille zur Ruhe bringen. Seine Verbindung zur Natur begreifen und all so was. Wenn man das macht, kann man es hören. Das ganze Sprechen.« Er nahm noch einen Schluck von seinem Bier. »Aber bei dem Nachwuchs in meinem Bau und diesem verdammten Fuchs, der mir den lieben langen Tag das Ohr abkaut, höre ich ohnehin genug Gerede. Da brauch ich mich nicht auch noch von meinen Tomaten

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