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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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vor?«
    Kummervoll schüttelte Iphigenia den Kopf. »Etwas Schrecklicheres, als du dir vorstellen kannst: Sie möchte das Kind dem Efeu opfern. Sein Blut wird die schlummernde Pflanze wiedererwecken und dem Willen der Gouverneurin unterwerfen. Auf diese Weise will sie jedes einzelne Lebewesen im Wald auslöschen.«
    »Sie … sie wird ihn töten? « Prue spürte, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich und ihre Knie weich wurden. Sie hatte nicht gewusst, was sie erwarten würde, aber das war mit Sicherheit das Schlimmste. »Nein.« Sie suchte nach Halt bei der Mystikerin. »Das … kann sie nicht machen.«
    Iphigenia nickte, ihre knotigen Finger drückten sich tief in Prues Handfläche. »So groß ist der Wahnsinn dieser Frau.« Die goldenen Gewänder der anderen Mystiker raschelten im Gras, als sie herankamen und sich hinter Iphigenia stellten.
    »Dies ist unsere Aufgabe«, sagte Iphigenia langsam und blickte jeden Einzelnen von ihnen nacheinander an. »Wir müssen verhindern, dass diese Verirrung geschieht.«
    Jeder der Mystiker nickte ernsthaft.
    »Die vor uns liegende Prüfung«, fuhr Iphigenia fort, »könnte sich allerdings als nicht zu bewältigen erweisen. Zwar gibt es Bestimmungen für ein solches Ereignis, doch nur selten in der Geschichte
Nordwalds sahen wir uns genötigt, eine Armee aufzustellen. Dennoch müssen wir genau das jetzt tun. Und zwar schnell.« An dieser Stelle wandte sie sich direkt an ihre Mitstreiter: »Wenn die Sonne am heutigen Tag, der herbstlichen Tagundnachtgleiche, ihren höchsten Punkt erreicht, stirbt das Kind. Uns bleibt wenig Zeit.« Sie drehte sich zu einem der Mystiker um, einem schlanken Reh. »Hydrangea, ruf bitte die Gendarmerie. Wir müssen die Glocke läuten.«
    Das Reh nickte und sprang mit großen Sätzen fort.
    »Ihr habt eine Armee?«, fragte Prue.
    »Nein, nicht im eigentlichen Sinne«, erwiderte Iphigenia. »Die Verfassung von Nordwald verfügt, dass alle Bürger zum Wehrdienst verpflichtet sind, sollte sich die Notwendigkeit ergeben. Wir sind ein friedfertiges Volk, Prue, aber selbst wir waren im Laufe unserer Geschichte schon aufgefordert, unsere Gemeinschaft zu verteidigen.« Sie runzelte die Stirn. »Obwohl ich über den Zustand unseres derzeitigen Militärs eigentlich nichts sagen kann. Neun Generationen kamen und gingen, seit wir zuletzt eine Armee benötigten. Das alles ist sehr betrüblich.« Iphigenia seufzte und sah sich zu dem riesigen Stamm in der Mitte der dunklen Wiese um. »Aber wenn es der Wille des Baumes ist, dann müssen wir gehorchen.«
    »Oh danke, danke!«, rief Prue.
    »Wenn es uns gelingt, die Gouverneurin aufzuhalten, dann wäre die Rettung deines Bruders eine erfreuliche Nebenwirkung unseres
Handelns, liebe Prue«, sagte die Mystikerin. »Wir schreiten um des Waldes willen ein. Um unserer Heimat willen.« Sie wandte den Blick auf den Pfad, der durch den Waldrand auf die Lichtung führte. »Sieh nur: Die Wachtmeister kommen. Gehen wir ihnen entgegen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

    Die Feuerstellen wurden so lange mit neuen Holzscheiten genährt, bis die Flammen an den tief hängenden Zweigen leckten und Licht auf das geschäftige Treiben im Lager warfen: Bündel wurden geschnürt, Proviant wurde verpackt, Pfeile wurden mit neuer Befiederung versehen. Einige Männer und Frauen überprüften antik aussehende Gewehre; andere füllten sorgsam Schießpulver in Lederbeutel um. Curtis hatte rasch die letzte Waffe des ihm zugeteilten Haufens fertig geschliffen und wollte gerade helfen, einige Flinten auf einen Karren zu laden, als Brendan ihn zu sich rief.
    »Ja?«, fragte Curtis, als er näher kam.
    »Als frisch getauften Räuber deines Rangs müssen wir dich vernünftig ausstatten.« Brendan klopfte Curtis’ Jacke ab. »Die wird zwar mit der Zeit speckig werden, aber es ist ein guter Anfang. Wie sind deine Stiefel?«
    »In Ordnung, glaube ich.« Curtis hob zuerst den einen, dann den anderen Fuß hoch, um sie zu begutachten.
    »Gut, denn Schuhe haben wir keine mehr.« Brendan machte eine kurze Pause. »Wenn ich mich richtig daran erinnere, warst du in der
Schlacht, als du auf der Seite der Kojoten standest, eher ein Taktiker, oder?«
    Curtis errötete. »Nicht so ganz«, meinte er. »Eigentlich sollte ich gar nicht am Kampf teilnehmen. Ich bin da eher so reingestolpert. Buchstäblich . Ich meine, ich saß auf einem Baum …«
    Brendan unterbrach ihn. »Schon gut – wir haben jetzt keine Zeit für lange Geschichten. Gibt Wichtigeres zu

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