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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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den Säbel auf Armeslänge und beäugte die Klinge. Zufrieden warf er ihn auf den Waffenstapel neben sich und rief Septimus zu: »Den nächsten bitte.«
    Die Ratte hopste von ihrem Scheit herunter und rannte zu einem anderen Waffenhaufen: Schwerter, Bajonette und Pfeilspitzen. Sie suchte einen langen Dolch aus und schleppte ihn zu Curtis, der sofort wieder damit begann, den Schleifstein sorgfältig über die Kante zu ziehen.
    Septimus kletterte zurück auf seinen Platz und ließ sich Curtis’ Feststellung durch den Kopf gehen. »Weiß nicht recht«, sagte er. »Hab noch nicht so viel drüber nachgedacht.«

    »Hast du keine Familie?«, fragte Curtis.
    »Nein, ich doch nicht.« Septimus warf sich in die Brust. »Oh nein. Ich bin Junggeselle. Ungebunden.«
    »Dann gibt’s ja nichts, was dich abhält. Keinen Grund, dich dem Kampf nicht anzuschließen« Er testete die Schärfe der Klinge mit seinem Daumen. »Oder?«
    Septimus lachte. »Hör dir das an. Plötzlich macht er auf dicke Hose.«
    Curtis lief ein bisschen rot an. »Ich weiß nur, dass ich hergekommen bin, um etwas Bestimmtes zu tun. Und ich finde nicht, dass ich wieder gehen sollte, ehe ich nicht wenigstens den Versuch gemacht habe, es zu Ende zu bringen, weißt du? Ich war so nah dran, Septimus, so nah. Ich hatte Mac auf dem Arm. Ich hätte … hätte …«
    Septimus fiel ihm ins Wort. »Hättest was – mit ihm aus dem Bau rennen sollen? Einfach so? Bei all den Krähen und der Gouverneurin genau vor deiner Nase?«
    Curtis seufzte. »Ich weiß auch nicht. Eigentlich wollte ich nur ein Versprechen einlösen. Sonst nichts.«
    Ihre Unterhaltung wurde von Seamus unterbrochen. Er hatte die völlig zerrissene Gefängniskluft gegen eine schmucke grüne Husarenuniform aus Samt eingetauscht, die etwas zu locker saß und um seinen dünnen Körper schlotterte. »Curtis«, sagte er. »Komm mit.«
    »Was ist denn los?«

    »Brendan. Er will dich sprechen.«
    »Weshalb?«
    Seamus verdrehte die Augen. »Blümchen pflücken, Mann«, sagte er ironisch. »Ist doch egal. Wichtige Angelegenheiten eben. Jetzt komm schon.«
    »Okay.« Curtis stand auf. »Septimus, vielleicht könntest du ja, ich weiß auch nicht … hier weitermachen?«
    Verblüfft betrachtete Septimus den Schleifstein. Er war mindestens halb so groß wie er selbst. »Okay, aber ich …«
    »Danke, Mann«, sagte Curtis. »Wir … sehen uns dann später.«
    Curtis folgte Seamus zu einer Holzhütte auf der anderen Seite der Lichtung. Der Schein einer Kerze erhellte das Innere der Behausung und warf einen schimmernden Lichtbogen auf die überhängenden Äste des mit Tannenzweigen gedeckten Dachs. Brendan saß auf einem kleinen umgedrehten Fass an einem grob gezimmerten Schreibtisch. Als Curtis eintrat, blickte er auf.
    »Wie geht’s dir, Curtis?«, fragte der Räuberkönig.
    »Gut, danke. Was gibt’s?«
    Brendan bedeutete Seamus, sich neben die Tür zu stellen. Dann sah er Curtis an, und seine stahlblauen Augen fingen das Flackern der Kerze auf. »Die Jungs haben mir berichtet, was im Gefängnis der Witwe passiert ist. Sieht aus, als hättest du wirklich gezeigt, was in dir steckt.«
    Curtis lächelte verlegen. »Ach, ich weiß nicht. Irgendjemand
musste es ja machen. Mein Käfig war eben zufällig der richtige – um die Leiter zu erreichen, meine ich.«
    Brendan stand auf und lief in einem engen Kreis um sein Sitzfass herum. In einer Ecke der Hütte stand eine kleine Truhe, aus der er einen verzierten Dolch holte. Nachdenklich drehte er ihn hin und her; eine goldene Schlange wand sich von der Parierstange bis zum Knauf um das Heft.
    »Die Jungs sind mit einer Bitte an mich herangetreten«, erklärte er feierlich. »Und ich muss sagen, ich bin geneigt, ihnen zuzustimmen. Du wurdest vorgeschlagen, den Räubereid abzulegen.«
    Curtis riss die Augen auf. »Ehrlich?« Er warf einen Blick über die Schulter zu Seamus, der hinter ihm an der Tür stand. Der Räuber sandte ihm ein kurzes, stolzes Nicken.
    »Ja, und das ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Nur sehr wenige Männer und Frauen bekommen diese Chance, wenn sie nicht im Lager geboren wurden. Und soweit ich das beurteilen kann, bist du der Erste aus der Außenwelt, der dazu erwählt wird.«
    »Was bedeutet das?«
    Brendan ging auf Curtis zu und stellte sich dicht vor ihn. Curtis’ Nase reichte nur knapp bis zum mittleren Hemdknopf des Königs. »Es bedeutet, ein Wildwaldräuber zu sein«, sagte Brendan. »Durch und durch, bis zu deinem letzten

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