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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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mein ganzes Leben lang nur sehr wenige gesehen habe, ist es schon erstaunlich, innerhalb eines Tages gleich zwei zu treffen.«
    Prue war sprachlos. Curtis blickte zwischen ihr und der Mystikerin hin und her. »Was bedeutet das, Mischling?«, fragte er.
    Iphigenia tätschelte ihm die Wange. »Wir haben jetzt keine Zeit für Plaudereien«, sagte sie und wandte sich an die Menge der Bauern. »Wir haben etwas zu erledigen.«

    Die lange hölzerne Hängebrücke knarzte geräuschvoll, als die Armee die Schlucht überquerte. Alexandras Pferd wieherte, es zögerte, den Huf auf die erste Planke zu setzen.
    »Ruhig«, besänftigte die Witwe ihren Hengst und tätschelte ihm den kräftigen Hals. Mit einem raschen Fersenstoß in die Flanken trieb sie
ihn voran. Das kleine Kind in ihren Armen murmelte vor sich hin. Die Truppe kam nur langsam voran; die Brücke schwankte unter dem Gewicht der vielen Leiber. Sobald sie die andere Seite erreicht hatte, galoppierte Alexandra auf den Hügel, um die Überquerung der restlichen Soldaten zu überwachen. Die Kanonenmannschaften mussten eine nach der anderen gehen, so schwer war ihr Kriegsgerät. Jeweils vier Kojoten schoben die großen Metallungetüme mühsam über die ächzenden Planken der Brücke.
    Alexandra war ungeduldig.
    Sie blickte in den trüben Himmel hinauf. Gemächlich näherte die Sonne sich ihrem höchsten Punkt. Es waren nur noch wenige Stunden bis Mittag. Sie betrachtete die Schlucht, die der Bach in den Hang schnitt.
    »Hauptmann!«, rief sie. Ein Kojote rannte herbei. Er trug eine spitze Grenadiersmütze, und seine Uniform war von einem leuchtenden Rot. Er salutierte.
    »Stell Wachposten auf der Nordseite des Bachs auf«, ordnete sie an. »Wir sollten im Norden des Hains eine Schutzzone einrichten. Ich wünsche keine Überraschungen. Ich werde meine gesamte Kraft für die Beschwörung brauchen.«
    »Jawohl, Frau Gouverneurin«, erwiderte der Hauptmann und lief los, um einen Wachtrupp zusammenzustellen.
    Alexandra sah den Letzten der Artillerie zu, wie sie vorsichtig über die Brücke liefen. Als die Armee schließlich auf der Straße versammelt war, befahl sie: »Hier verlassen wir die Straße. In den Wald. Mir nach.«

    »Von Waldzauber?«, fragte Curtis immer noch ratlos. »Ich weiß einfach nicht, was das bedeutet!«
    Die vereinigten Armeen der Räuber und der Bauern aus Nordwald zogen im Gänsemarsch den schmalen, gewundenen Pfad hinauf, der Hardesty-Wildwechsel genannt wurde. Curtis ging dicht hinter Prue und ihrem Fahrrad her und bombardierte sie mit Fragen.
    »Mehr weiß ich auch nicht, Curtis«, antwortete Prue. »Es nennt sich Waldzauber. Und es heißt einfach, dass du irgendwie von hier bist. Oder so was.«
    »Und du bist wie noch mal ›von Waldzauber‹?«
    »Hab ich dir doch schon erzählt: Alexandra hat meinen Eltern ermöglicht, Kinder zu bekommen«, wiederholte sie entnervt. »Deshalb bin ich von Waldzauber. So hab ich das verstanden.«
    Curtis schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich weiß einfach nicht, wie das sein kann. Wir sind erst hierhergezogen, als ich fünf war.«
    »Denk noch mal nach. Hast du irgendwelche merkwürdigen Verwandten? Vielleicht kommt einer von ihnen aus dem Wald.«
    »Meine Tante Ruthie war immer ein bisschen komisch«, überlegte Curtis. »Sie wohnt direkt am Rand der Undurchdringlichen Wildnis – des Waldes – und sie meidet jegliche Gesellschaft. Meine Eltern sagen, sie ist einfach ein bisschen gaga.«
    Völlig in seine Gedanken versunken, hatte Curtis den Anschluss an die Kolonne verloren. Einer der Bauern, ein mit einer Astschere
bewaffneter Schwarzbär, grunzte ärgerlich, als Curtis zurückfiel und beinahe über die dicken Pfoten des Tieres stolperte. »’tschuldigung!«
    »Pass mal auf, wo du hintrittst«, grummelte der Bär.
    Curtis setzte sich in Trab, bis er Prue wieder erreicht hatte, die ihr Fahrrad mit dem Anhänger den steilen Pfad hinaufschob.
    »Na, siehst du«, sagte Prue. »Deine alte Tante Ruthie.«
    »Ich weiß nicht.« Curtis schüttelte den Kopf. »Wenn ich so drüber nachdenke, dann passt die Beschreibung auf die meisten meiner Verwandten: ein bisschen gaga.«
    Plötzlich plätscherte ein Flüstern durch die Reihen der Marschierenden. »Pssssst!« Dann folgte eine von Soldat zu Soldat weitergegebene Geste, dass alle in Deckung gehen sollten. Curtis übermittelte dem Schwarzbär hinter sich die Anweisung, während er und Prue leise in die Hocke gingen.
    »Was ist los?«, raunte er Prue zu.
    »Keine

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