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Wildwood

Wildwood

Titel: Wildwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Meloy
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gekommen. Die Zeremonie wird bald vollendet sein.«
    »Du wirst dich nur als Mörderin offenbaren«, sagte Iphigenia unumwunden.
    »Ich befreie eine Naturkraft von einem ihr auferlegten Schlummer«, erwiderte Alexandra. »Und ermögliche ihr damit, ihre einstige Vorherrschaft in der wilden Welt zurückzugewinnen. Für eine gottlose Naturalistin wie dich müsste das doch bedeuten, dass ich etwas in Ordnung bringe.«
    »Der Efeu wird auch dich verzehren, wenn er jeden Baum im Wald zu Boden gerissen hat; glaub bloß nicht, du wärst dagegen gefeit. Und die Kojoten, diese unschuldigen Geschöpfe, die du in deine Armee gezwungen hast – kennen sie die Folgen? Hast du ihnen gesagt, dass ihre Bauten zerstört und ihre Weibchen und Welpen getötet werden?«
    »Pfff«, machte die Gouverneurin herablassend. »Diese armseligen
Hunde? Für die ist doch die reine Illusion von Macht schon Lohn genug. In den letzten fünfzehn Jahren habe ich ihnen mehr gegeben, als sie jemals in ihrer Geschichte bekommen haben. Wenn sie ausgelöscht werden, sterben sie wenigstens als erhabene Spezies. Was mich betrifft, würde ich mir an deiner Stelle keine allzu großen Sorgen machen. Ich werde den Efeu längst zurück in den Schlaf versetzt haben, bevor er seine Ranken um mich schlingen kann.«
    Iphigenia runzelte die Stirn. »Täusch dich nicht, so leicht ist er nicht zu beherrschen. Wenn du das Geschehen erst einmal in Gang gesetzt hast, ist es nicht mehr aufzuhalten.«
    Die Witwe lachte. »Heißt das, ich habe deine Zustimmung, fortzufahren? Oder willst du mich weiter von meiner Aufgabe abhalten?«
    Die Mystikerin sprach erneut, aber Prue konnte sie nicht mehr verstehen; sie sagte etwas zu sich selbst, als wollte sie sich ihrer eigenen Überzeugungen versichern. Die Gouverneurin warf ihr einen schiefen Blick zu, dann marschierte sie Richtung Sockel. Mit der freien Hand zog sie einen langen Dolch aus dem Gürtel. Verzweifelt machte Prue einen Satz nach vorn.
    »Bitte, Alexandra!«, rief sie. »Tun Sie das nicht!«
    Alexandra blieb stehen und drehte den Kopf. Sie funkelte Prue ärgerlich an. »Ich muss doch sehr bitten«, sagte sie. »Ich hatte wirklich kein Publikum erwartet. Das hier ist ein großer Moment für
mich, und ich möchte ihn mir nicht durch das Gejammer eines kleinen Mädchens und einer alten Frau ruinieren.«
    »Das ist mein Bruder«, sagte Prue. »Der einzige Sohn meiner Eltern. Es würde ihnen das Herz brechen.«
    »Dann hätten sie eben nicht diese Vereinbarung mit mir treffen dürfen«, entgegnete Alexandra. »Sie waren töricht, diese Außenweltler, aber sie wussten genau, was sie wollten. Sie wollten dich .« An dieser Stelle deutete die Gouverneurswitwe mit dem Dolch auf Prue. »Und sie haben dich auch bekommen. Herzlichen Glückwunsch. Du wurdest geboren. Ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt. Wenn ich es mir recht überlege, dann ist – wenn überhaupt – nur eine Person für den Tod deines Bruders und das gebrochene Herz deiner Eltern wirklich verantwortlich, und zwar du . Dein Dasein, die Sehnsucht deiner Eltern nach dir, ist in Wahrheit die Wurzel dieses ganzen Übels. Ich bin nur eine Figur in diesem Spiel.« Sie machte noch ein paar Schritte auf den Sockel zu; inzwischen war sie nur noch wenige Meter davon entfernt.
    »Hättest du auch Alexei dem Efeu geopfert, um solche Macht zu erringen?« Das war die feste Stimme von Iphigenia.
    Die Gouverneurin erstarrte.
    »Hättest du?«, fragte die Mystikerin erneut. »Er war auch einmal ein Säugling, wie du dich sicher erinnern wirst. Er war so ein schönes Kind.«
    Alexandras blasses Gesicht errötete, und sie drehte sich wütend
zu Iphigenia um. »Ich sagte dir bereits, alte Frau , du sollst mich nicht von meinem Vorhaben abhalten. Ihr beide werdet allmählich äußerst lästig.«
    »Armer Alexei«, sprach Iphigenia weiter. »Nicht einmal deine Magier konnten ihn in die Welt der Lebenden zurückholen.«
    »Aber ich konnte es!«, rief Alexandra, die nun endgültig die Beherrschung verlor. »Ich habe ihm das Leben geschenkt. Zweimal . Einst schon hatte ich diesem Körper Leben eingehaucht, warum kein zweites Mal? Warum sollte das einen Unterschied machen? Es war seine Entscheidung, wieder zu sterben. Er wusste die Anstrengung nicht zu schätzen, die ich « – sie schlug sich das Heft des Dolchs gegen die Brust – »die ich auf mich nahm, um ihm Leben zu schenken. Beide Male. Mein idiotischer Neffe und seine Befehlsempfänger nutzten seinen Tod aus und nahmen ihn

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